09.10.17

Trendwende: Der Bevölkerungsrückgang scheint gestoppt, doch nicht alle profitieren gleichermaßen

Bevölkerungsentwicklung in den deutschen Bundesländern bis 2035

Die Rekordzuwanderung im Jahr 2015 brachte Deutschland 1,1 Millionen neue Einwohner. Das geht auch an den Bevölkerungsstatistiken nicht spurlos vorbei. Musste vorher noch von einer negativen Bevölkerungsentwicklung ausgegangen werden, zeichnen neueste Vorausberechnungen ein freundlicheres Bild.

Das Jahr 2017 markiert dabei einen Wendepunkt und Paradigmenwechsel. Das Institut der Deutschen Wirtschaft geht in aktuellen Prognosen von einem Bevölkerungsstand von 83,1 Millionen Menschen bis zum Jahr 2035 aus. Das sind etwa 1 Million mehr als gegenwärtig. Auch die Demografieberichte der Bundesregierung folgen dem Trend. Statt des befürchteten Bevölkerungsrückgangs prophezeien sie neben einem leichten Anstieg bis 2035 langfristig eine Stabilisierung des Bevölkerungsstandes. Doch nicht alle Länder profitieren gleichermaßen. Insbesondere in den ostdeutschen Flächenländern führt die zunehmende Alterung der Gesellschaft  zu großen ökonomischen und gesellschaftlichen Herausforderungen.

Berlin boomt, Brandenburg muss investieren

Die Hauptstadt zieht an – das zeigen die aktuellen Vorausberechnungen. Berlin ist Gewinner des Wachstums. Bis 2035 erfährt die Hauptstadt den höchsten Bevölkerungszuwachs auf über 4 Millionen Einwohner. Das entspricht einem Plus von etwa 510.000 Personen (+14,5 Prozent). Der attraktive regionale Arbeitsmarkt und eine gute Lebensqualität locken vor allem junge Menschen in die Großstadt.

Das jedoch spürt Brandenburg merklich. Mit einem Bevölkerungsrückgang von 4,4 Prozent bis zum Jahr 2035 zeichnet sich ein negativer Trend ab. Auch die Nettomigration der vergangenen zwei Jahre kann diese Entwicklung nicht aufhalten. Zunehmend verlassen junge Menschen das Flächenland und wandern in die naheliegende Großstadt ab. Hoffnung besteht mit Blick auf den angespannten Wohnungsmarkt, der langfristig nochmal für eine Trendwende sorgen könnte. Denn die verhaltene Bautätigkeit in den Großstädten und der vorausberechnete Bevölkerungsanstieg führen zu einer Überschussnachfrage und deutlich steigenden Mieten. Vor diesem Hintergrund könnten sich Wohnwünsche junger Menschen wieder verlagern – weg vom urbanen Wohnen.

Deutschland wird älter

Bevölkerungszahlen sind jedoch nur ein sehr allgemeiner Indikator. Gerade aus wirtschaftlicher Perspektive lohnt sich der Blick auf detallierte Strukturdaten. Und da wird deutlich: Trotz des Bevölkerungsanstiegs altert die deutsche Gesellschaft bis 2035 zunehmend. Das äußert sich vor allem in einem Rückgang der erwerbsfähigen Bevölkerung und der Zunahme des Anteils an Personen im Alter von mindestens 80 Jahren. Die Babyboomer-Generation geht in Rente und sorgt bis 2035 zwischen den Bundesländern für deutliche Unterschiede.

Während die Stadtstaaten einen verhältnismäßig geringen Rückgang der Anzahl der Menschen im Alter zwischen 20 und 67 Jahren verzeichnen müssen – in Berlin sind es aktuellen Prognosen zufolge lediglich -3,2 Prozent – vollzieht sich diese Entwicklung in Brandenburg deutlich spürbarer. Hier muss ein Rückgang der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter um 7,1 Prozent befürchtet werden.

Und während Berlin junge Menschen dazu gewinnt (+ 2 Prozent), ist Brandenburg das Land mit der höchsten Abwanderung von Menschen unter 20 Jahren (-4 Prozentpunkte).

Große ökonomische Herausforderungen      

Ein Rückgang der erwerbsfähigen Bevölkerung hat vor allem ökonomische Auswirkungen. Denn die Menschen zwischen 20 und 67 Jahren erwirtschaften mehr oder weniger den materiellen Wohlstand einer Volkswirtschaft. Der Lebensstandard muss durch die Alterung der Babyboomer-Generation und deren Austritt aus dem Arbeitsmarkt zunehmend durch weniger Menschen erwirtschaftet werden. Die demografischen Herausforderungen sind groß – und das in allen 16 Bundesländern. Doch während sich diese Entwicklung in den Stadtstaaten, wie Berlin, deutlich langsamer vollzieht, steigt in Brandenburg der Anteil der Personen außerhalb des Erwerbsalters im Verhältnis deutlich an.

Fazit

Der lang erwartete Bevölkerungsrückgang in Deutschland bleibt aus – zumindestens in den kommenden beiden Dekaden. Jedoch verteilt sich das Wachstum von etwa 1 Prozent auf nationaler Ebene räumlich sehr unterschiedlich. Während Berlin zu den Gewinnern dieser Entwicklung zählt, steigen für Brandenburg die demografischen und ökonomischen Herausforderungen erheblich. Ein zentraler Einflussfaktor der Bevölkerungsvorausberechnungen ist die Zuwanderung. Ob die Infrastrukturen und Wohnungsmärkte der Stadtstaaten dieser langfristig gewachsen sind, bleibt offen. Hier besteht für großstadtnahe Flächenländer wie Brandenburg die Chance zur Kehrtwende, wenn entsprechend in den Ausbau der Infrastrukturen investiert wird.     

Die Studie

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Dr. Philipp Deschermeier
Institut der deutschen Wirtschaft Köln
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Klaus Jeske, UVB, Unternehmensverbände, Berlin, Brandenburg
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