14.11.19

Bauen an der Zukunft Berlins

Ein Spaziergang mit Frank Büchner, dem Präsident der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB)

Wir spazieren auf seiner Laufstrecke. Die ist 5,5 Kilometer lang und führt um den Schlachtensee. Das schafft er in 40 Minuten. Wir begnügen uns heute mit der halben Wegstrecke, legen sie in der doppelten Zeit zurück. Wir haben uns an der Fischerhütte zum Spaziergang, nicht zum Spazierlauf verabredet.

Frank Büchner ist Manager im Siemenskonzern, Geschäftsleiter Wirtschaftsregion Ost und Chef der Niederlassung Berlin, im Ehrenamt Präsident der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB). Und er ist bekennender Sachse. Zwar ist sein Sächsisch schon stark vom Hochdeutschen überlagert, aber nicht ganz zu überhören. „Die kulturelle Vielfalt ist doch das Schöne an Deutschland. Da gehört Sachsen mit seiner Landschaft und Sprache dazu,“ sagt er, der in Leipzig aufgewachsen ist.

Leipzig, da war doch was. Damals vor 30 Jahren war Frank Büchner 34 Jahre alt. War er – promovierter Elektrotechnik-Ingenieur im VEB Starkstromanlagenbau Leipzig/Halle – dabei, als die Montagsdemonstrationen zum Sargnagel der DDR wurden? „Ich war nicht jeden Montag dabei. Aber bei den entscheidenden Demos schon, auch am

16. Oktober. Es war immer ein mulmiges Gefühl. Man wusste nie, wie es ausgehen würde. Am 16. Oktober waren etwa 120.000 Menschen auf der Straße. In den Nebenstraßen sahen wir Schützenpanzer und bewaffnete Kampftruppen. Man musste also auch mit dem Schlimmsten rechnen. Zugleich hat man gehofft, dass es gut ausgeht. Am Ende war es die Masse und die Gewaltlosigkeit der Demonstranten, die der Staatsmacht keine Chance zum Eingreifen gab.“

Aktuell steht Großes auf dem Programm

„Die Deutschen in der DDR wollten die Wende. Und Gott sei Dank hat ja auch alles ein friedliches Ende gefunden“, sagt er. Nach 30 Jahren wird die Kritik dennoch wieder lauter. Von Abgehängt-Sein und Benachteiligung ist die Rede. Frank Büchner hat dafür nur bedingt Verständnis. „Natürlich gibt es Verlierer. Dass sind vor allem die damals 50-Jährigen. Aber die Jüngeren mit ihrer meist guten Schulbildung vornehmlich in den naturwissenschaftlichen Fächern konnten mit Ehrgeiz und Selbstbewusstsein etwas erreichen.

Weil fast alle Konzerne im Westen sitzen, kommen folglich auch die meisten Führungskräfte von dort. Aber manch heutige Kritik hätte sich erübrigt, wenn wenigstens die neu eingerichteten Bundesinstitutionen in Ostdeutschland angesiedelt worden wären. Dann würde es auch mehr Führungskräfte aus den neuen Bundesländern geben.“ Und was sagt der Ex-VEB- und heutige Siemens Manager zur Treuhand? „Es gab kein Drehbuch für die Transformation eines ganzen Wirtschaftssystems. Natürlich hat die Treuhand auch Fehler gemacht. Doch 80 Prozent ihrer Entscheidungen waren aus meiner Sicht richtig. Die Wiedervereinigung bleibt ein großes Glück. Für beide Seiten.“

Wir spazieren auf dem Uferweg an diesem sonnigen Herbsttag, unter einem bunten Blätterdach, das sich im trüben Wasser des Schlachtensees spiegelt. Zeit, das Gespräch der Zukunft zuzuwenden. Da steht ganz aktuell in drei Tagen einmal mehr Großes auf dem Programm. Am Mittwoch lädt Frank Büchner als Präsident der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg zum traditionellen Bierabend auf die Restaurantebene des KaDeWe.

Es ist der 48. Bierabend. Die UVB erwarten dazu rund 600 Gäste – fast alle, die in Berlin und Brandenburg Rang und Namen in Wirtschaft und Politik haben. Präsident Büchner, auch das ist Tradition, begrüßt zusammen mit seinem Hauptgeschäftsführer Christian Amsinck jeden Gast persönlich. Die anregenden Gespräche beginnen meist schon gegen Ende der Begrüßungsrede des Gastgebers und enden nicht vor Mitternacht. Einer, der in den letzten Jahren fast immer bis zum Ende blieb, sei der Regierende Bürgermeister Michael Müller gewesen, erinnert sich Büchner. Es gibt ja auch viel zu bereden in dieser Stadt, und nicht alle haben leichten Zugang zum Regierenden. Der Bierabend als Abend der Möglichkeiten.

Auch in diesem Jahr gibt es wieder viel zu fragen und zu bereden: vom Mietendeckel über die einengende Verkehrs- bis zur unterdurchschnittlichen Berliner Bildungspolitik, die der Wirtschaft zunehmend Sorgen wegen des nötigen und qualifizierten Nachwuchses macht. Der Regierende, seine Senatorinnen und Senatoren, dazu gehört nicht viel Fantasie, werden in kritische Gespräche verwickelt. „Wir scheuen den kritischen Dialog nicht“, versichert Büchner.

Appell für länderübergreifende Lösungen

Präsident der UVB, auch das Tradition, ist meist der Berliner Siemens-Chef. Eine Automatik? „Nein. Aber Anzahl der Mitarbeiter und die Bedeutung des Unternehmens spielen bei der Wahl natürlich eine Rolle. Hinzu kommt, dass der Arbeitgeberverband der Metall-und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg unter den 60 im UVB zusammengeschlossenen Branchenverbänden der größte und der Siemens-Vertreter zu dessen Vorsitzendem gewählt worden ist. So läuft die zu wählende UVB-Präsidentschaft nicht automatisch, aber fast zwangsläufig auf den Siemens-Chef zu.“ Das wäre also auch geklärt.

Wo drückt dem Anwalt und Sprachrohr der Berlin-Brandenburgischen Unternehmen derzeit besonders der Schuh? „Wir waren einer der ersten Verbände, der sich länderübergreifend aufgestellt hat. Die interne Zusammenarbeit ist gut. Aber die wirtschaftlichen und infrastrukturellen Probleme in der gemeinsamen Region könnten entschärft werden, wenn auch die Politik noch stärker zu länderübergreifenden Lösungen bereit wäre. Kombiniert, wenn also Berlin und Brandenburg jenseits einer Fusion sich enger abstimmen würden, könnte mehr erreicht werden. Denn was die Wirtschaft betrifft, gibt es keine großen Interessenunterschiede zwischen Unternehmen in Berlin und Brandenburg. Wir melden uns zu Wort, wenn es politische Entscheidungen gibt oder vorbereitet werden, die wirtschaftsunfreundlich sind, die Spielräume, Kreativität und Investitionen behindern.“

Da grüßt der Mietendeckel, der ja auch brandenburgischen Bauunternehmen Sorgen macht. „Mietendeckel und Enteignungen – darüber diskutieren auch wir sehr kritisch mit dem Senat. Es gibt andere Lösungen. Wenn Wohnraum, Bau- und auch Gewerbeflächen in Berlin knapp und deshalb teuer sind, muss das als übergreifende Aufgabe begriffen und kann über die Landesgrenze hinweg gelöst werden. Warum also kein Wohnungsbau für Berliner im nahen Umland? Gleiches gilt für das Gewerbe. Alles zum Nutzen beider Länder.“

Wie steht es um die Energiewende?

Der Senat sollte stärker auf Bauindustrie und Wohnungswirtschaft zugehen. Hamburg habe das vorgemacht. Dort entspanne sich der Wohnungsmarkt. „Es ist zu kurz gedacht, immer nur auf neue Regulierungen und sogar Enteignung zu setzen. Kreatives, vielschichtiges Denken in verständnisvoller Kooperation zwischen den Regierungen in Berlin und Potsdam ist nötig. Die Landesgrenze darf keine Hürde sein.“

Da spricht der erfolgreiche, lösungsorientierte Pragmatiker. Wie ist der bei Siemens soweit nach oben gekommen? „Schon Ende 1989 sprachen Siemens-Vertreter bei uns im VEB Starkstrombau vor. Dieser Betrieb gehörte einst zu Siemens und wurde nach Kriegsende enteignet. Als junger Ingenieur hatte ich damals das Glück, mich einbringen und beweisen zu können. Nachdem Siemens den Betrieb wieder übernommen hatte, bin ich seit 1991 dabei und seit 1994 Leitender Angestellter in verschiedenen Funktionen innerhalb des Konzerns. Schwerpunkt dabei war immer das Arbeitsgebiet Energie.“

Ein neues Stichwort für den Rückweg, als wir den See fast halb umrundet haben. Wie also ist es um die Energiewende bestellt? Die Energiewende, so klärt der promovierte Fachmann auf, bestehe eigentlich aus drei Wenden: Der Energie-/Strom-Wende, der Wärme- und der Verkehrswende. „Gemessen an dem Gesamtenergiebedarf in Deutschland ist Wärme der mit Abstand größte Markt. Auf ihn entfallen etwa 50 Prozent. Und damit sind Heizungen verantwortlich für einen Großteil der CO2-Emissionen.

40 Prozent Strom aus erneuerbarer Energie

Also all der Ausstoß durch Wärme, die die Wirtschaft für ihre Prozesse verbraucht – und jeder von uns, der sein Haus oder seine Wohnung heizt, trägt dazu bei. Die anderen 50 Prozent des Energiebedarfs entfallen gleichgewichtig auf Energie/Strom und Verkehr. Allein bei der Energiewende sind wir hinsichtlich der Emissionsreduzierung ziemlich weit. 40 Prozent des gebrauchten Stroms kommt mittlerweile aus erneuerbaren Quellen. Bei der Wärme und im Verkehr sind es gerade mal zehn Prozent.“ Diese Verteilung werde in der politischen wie der öffentlichen Diskussion zu oft vergessen oder zu wenig berücksichtigt. Es bleibt also noch viel zu tun.

Hat das Klimakind Greta doch Recht? „Dass die Jugend mitreden will, wie mit unserer Erde umgegangen wird, ist okay. Die Diskussion ist ja auch in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Das Ganze muss aber maßvoll sein. Wir müssen darüber reden und auch erklären, wie wir sinnvoll eine solche Transformation realisieren können, ohne dass unsere Lebensgewohnheiten völlig verändert werden. Auch Kinder wollen und sollen im Warmen ihre Hausaufgaben machen können. Dazu müssen beide Seiten auch bereit sein, die Gespräche konfrontativ zu führen.“

Wir nähern uns wieder der Fischerhütte. Ganz entspannt, ohne erhöhten Pulsschlag. Bei dem hochgewachsenen Manager mit Ost- und West-Erfahrung keine Überraschung. Er war einst Leistungsschwimmer, heute joggt er regelmäßig, spielt im Sommer auch Golf („Handicap 25, das reicht mir“), im Winter geht’s nach Südtirol mit der Familie und Freunden zum Skisport. Alles dabei: Abfahrt, Langlauf und selbst wettkampfähnliches Biathlon. „Leider viel zu selten. Aber das macht nichts, weil mir die Arbeit für und bei Siemens riesige Freude bereitet. Auch, weil ich die Zukunft noch mitgestalten kann.“

„Kiez der Macher“

Und da hat Siemens in Berlin bekanntlich Großes vor. Darüber müssen wir natürlich auch noch reden. Also über den Zukunftscampus Siemens 2.0. „Siemens wurde 1847 in Berlin geboren, 1914 die Siemensstadt getauft und jetzt, gut 100 Jahre später, entwickeln wir bis zum Jahr 2030 einen hochmodernen Industrie-Campus Siemens 2.0. Dann wird es auch den endgültigen Namen geben. Vielleicht so etwas wie ‘Kiez der Macher’. Mit 600 Millionen Euro wollen wir auf einer Fläche von 70 Hektar einen Campus entwickeln, auf dem Forschung, Fertigung, Arbeiten und Wohnen auf einem Gelände vereint werden. Das ist das Besondere dieses Projekts.“

Es wird ein für alle offener Campus. Dabei sind heute schon die Technische Universität, ebenso die Fraunhofer-Gesellschaft, das Bundesamt für Materialforschung und natürlich kleine und mittlere Unternehmen und Start-ups. Ganz wichtig für die Konzernentscheidung am Hauptsitz in München zugunsten Berlins war die enge Verknüpfung zwischen Forschung und Fertigung am künftigen Campus.

„Es war kein leichter Kampf, den Campus nach Berlin zu holen. Letztlich ausschlaggebend waren die schon vorhandenen Forschungskapazitäten, andererseits Berlin als größter Fertigungsstandort innerhalb unseres Konzerns mit hoher Wertschöpfung. Beides zusammen schafft die besten Perspektiven, wenn Fertigung und damit Produkte und Produktion mit neuesten Technogien flankiert durch Digitalisierung in die Zukunft transferiert werden sollen.“

Und wie investitionsfreundlich hat sich der viel gescholtene Berliner Senat gezeigt? „Der war sehr engagiert. Das war richtig gut. Mit den Senatoren Pop und Lederer unter der Regie des Regierenden Bürgermeisters Müller.“ Selten gewordenes Lob soll nicht verschwiegen werden.

Zur Person

Familie Frank Büchner, Jahrgang 1955, ist im sächsischen Riesa geboren und in Leipzig aufgewachsen. Er ist verheiratet , das Ehepaar hat zwei erwachsene Söhne. In Berlin haben die Büchners eine Wohnung nahe dem Schlachtensee, in Leipzig ein Haus.

Karriere Nach dem Studium der Elektrotechnik und der Promotion begann er in der DDR als Ingenieur beim VEB Starkstromanlagenbau Leipzig/Halle. Nach der Wende wurde das Unternehmen wieder vom ursprünglichen Besitzer Siemens übernommen. Seit 1991 arbeitete er in dem Konzern, seit 1994 als Leitender Angestellter in verschiedenen Führungsfunktionen. Schwerpunkt seiner Tätigkeit war das Arbeitsgebiet Energie. Er leitete die Division Energy Management Siemens Deutschland. 2004 wurde er zum Geschäftsleiter Wirtschaftsregion Deutschland Ost und zum Chef der SiemensNiederlassung Berlin berufen.

UVB

Zum Präsidenten der Unternehmensverbände Berlin- Brandenburg wurde er 2017 gewählt.

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Die Original-Veröffentlichung finden Sie auf der Website der Berliner Morgenpost.

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