Berlin braucht eine Strategie für mehr Fachkräfte
Die aktuelle wirtschaftliche Lage und Meldungen über Arbeitsplatzabbau dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Fach- und Arbeitskräftemangel zu den größten Wachstumshemmnissen für den Standort Berlin gehört. Bereits heute fehlen 90.000 Beschäftigte allein in Berlin.
Angesichts der dramatischen Zeitenwende hat die Berliner Wirtschaft Vorschläge erarbeitet und mit konkreten Maßnahmen und Zielwerten unterfüttert, um diese Herausforderung zu bewältigen. 25 Wirtschaftsverbände und Kammern aus der Hauptstadt fordern von der Politik, den bereits angestoßenen Prozess zur Entwicklung einer Fachkräftestrategie zügig zu Ende zu bringen.
Eine Strategie zur Bekämpfung des Risikofaktors Fachkräftemangel kann allerdings nur dann erfolgreich sein, wenn zum einen messbare Erfolgskennzahlen definiert werden und zum anderen die Wirtschaft in den Prozess einbezogen wird. Denn die Berliner Wirtschaft sieht sich nicht nur als Betroffene. Sie ist aktiver Partner bei der Fachkräftesicherung.
Die Berliner Fachkräftestrategie ist erfolgreich, wenn bis 2035:
- 400.000 zusätzliche Erwerbstätige in Vollzeit beschäftigt sind und damit die Fach- und Arbeitskräftelücke geschlossen ist.
- Alle Schulabgängerinnen und Schulabgänger über einen Abschluss verfügen und eine verbindliche, nachweisbare Berufs- oder Studienberatung sowie praxisnahe Orientierungsmöglichkeiten, einschließlich Praktika in verschiedenen Berufsfeldern, erhalten haben.
- Der Anteil ausländischer sozialversicherungspflichtig Beschäftigter auf mindestens 30 Prozent durch gezielte Programme zur Arbeitsmarktintegration gestiegen ist.
Kernforderungen der Wirtschaft zur Berliner Fachkräftestrategie
1. Vorhandene Potenziale besser nutzen
- Digitalisierung des Arbeitgeberservices der Bundesagentur für Arbeit (BA) zur schnelleren Arbeitsvermittlung
- Ausbau von Tagespflegeeinrichtungen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Pflege
- Verpflichtende, flexible Betriebspraktika für Schüler mit Fokus auf MINT-Berufe
- Reduzierung schulischer Ausbildungskapazitäten zugunsten betrieblicher Ausbildung
- Bedarfsgerechter Ausbau dualer Studienplätze
- Schwerpunkt-Kitas mit erweiterten Öffnungszeiten für Schichtarbeiter
- Förderung von Verbundausbildungen für benachteiligte Gruppen
- Integration von Menschen mit Behinderung durch bessere Vernetzung von Werkstätten und Unternehmen
- Ausbau der betrieblichen Weiterbildung für digitale und nachhaltige Transformation
2. Neue Potenziale erschließen
- Digitalisierung und Mehrsprachigkeit der Verwaltung zur besseren Integration internationaler Fachkräfte
- Förderung der Anerkennung ausländischer Abschlüsse
- Aufbau von Fachkräftepartnerschaften mit Drittstaaten
- „Tourism2Talent“-Programm zur Gewinnung von Fachkräften aus dem Tourismusstrom
3. Den Standort attraktiver machen
- Digitaler Leitfaden für Unternehmen zur Wohnraumbeschaffung und Förderung innovativer Wohnkonzepte
- Förderung von Azubi-Wohnheimen
- Einrichtung von Welcome Hubs für internationale Fachkräfte
- Vergünstigtes Deutschlandticket für Azubis und bessere Anbindung der Außenbezirke
- Schnelle Schul- und Kitaplatzvergabe für neu ankommende Familien zur Förderung der Integration