26.05.21

Brexit - Abkommen über die zukünftigen Beziehungen

Das Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Union und Großbritannien tritt endgültig ab 1. Mai 2021 in Kraft

Das EU-Parlament hat Ende April mit großer Mehrheit für das Abkommen gestimmt, das die Regeln für die künftigen Beziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich festlegt. Der Zustimmungsbeschluss wurde mit 660 Stimmen, 5 Gegenstimmen und 32 Enthaltungen angenommen. Damit tritt das Abkommen am 1. Mai 2021 nun endgültig in Kraft.

Es ergeben sich folgende grundsätzliche Änderungen

  • Seit dem 1. Januar 2021 werden die Regeln des EU-Binnenmarktes und der Zoll­union nicht mehr auf das Vereinigte Königreich angewendet. Insbesondere enden die Personenfreizügigkeit und die Dienstleistungsfreiheit zwischen der EU und Großbritannien.
     
  • Im beiderseitigen Handel werden zunächst keine Zölle (Nullzollsätze) erhoben. Auf mengenmäßige Beschränkungen wird verzichtet. Dennoch gelten im Waren­verkehr grundsätzlich neue Zollbestimmungen und Zollformalitäten, die Sie auf den Brexit-Seiten des Zolls finden.
     
  • Um weiterhin freien Zugang zum EU-Markt zu erhalten, darf Großbritannien EU-Standards (z.B. im Umweltschutz, bei Sozial- und Arbeitmarktstandards oder staatlichen Beihilfen) nicht unterlaufen. Damit wird ein gleiches Wettbewerbs­umfeld (Level-Playing-Field) mit einem hohen Schutzniveau sichergestellt.
     
  • Das neue Handels- und Kooperationsabkommen umfasst nur wenige Mobili­tätsregeln und beinhaltet keine allgemeinen Regeln für die Einreise, die Beschäftigung oder den Aufenthalt im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei. Solche Personen, die sich ab dem 1. Januar 2021 langfristig im Hoheitsgebiet des Anderen aufhalten oder dort eine Beschäftigung aufnehmen wollen und deren Rechte nicht durch das Austrittsabkommen geschützt sind, unterliegen somit grundsätzlich den nationalen Vorschriften für Drittstaatsangehörige.


Im Einzelnen sind folgende Bereiche des Handels- und Kooperationsabkom­mens für Unternehmen von besonderer Relevanz

EORI-Nummer verpflichtend: Zukünftig ist für den Warenverkehr mit Großbritan­nien die europäische Zollnummer EORI erforderlich, die hier beantragt werden kann.

Ein- und Ausfuhrverbote für bestimmte Waren: Für Großbritannien gelten Export­ und Importverbote für bestimmte chemische Produkte, Abfall- und Dual-Use­Güter.

Dienstleistungserbringung: Der freie Dienstleistungsverkehr entfällt ab dem 1. Januar 2021. Dienstleistungsanbieter müssen somit die Vorschriften des jeweiligen Staates erfüllen. Das Handels- und Kooperationsabkommen beinhaltet Verbote verschiedener Beschränkungen, Verpflichtungen zur Inländerbehandlung und Meist­begünstigung sowie einige sektorspezifische Regelungen. Die erlaubten Ausnahmen davon sind in den Annexen SERVIN-1 und SERVIN-2 enthalten.

Zugang und vorübergehender Aufenthalt natürlicher Personen zu Geschäfts­zwecken: Vertragliche Dienstleistungserbringer („mode 4“), die bereits mindestens ein Jahr in ihrem Geschäftsfeld tätig sind sowie über mindestens drei Jahre Berufserfahrung verfügen, dürfen sich für maximal zwölf Monate (kumulativ) im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei aufhalten. Dies gilt für bestimmte Sektoren und Aktivitäten sowie unter den Bedingungen von Annex SERVIN-4.

Konzerninterne Entsendungen (ICT): Unternehmen dürfen ihre Beschäftige konzernintern entsenden, sofern diese für mindestens ein Jahr (Beschäftigte mit Führungstätigkeiten und Spezialisten) oder sechs Monate („trainee employee“) im Unternehmen beschäftigt waren und sich nicht im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei aufhalten. Beschäftigte mit Führungstätigkeiten und Spezialisten dürfen für maximal drei Jahre, „trainee employees“ für maximal ein Jahr entsandt werden. Die Konditionen und sektorspezifischen Bestimmungen sind im Annex SERVIN-3 geregelt. Beispielsweise gelten die Regelungen für konzerninterne Entsendungen in das VK nicht für NGOs.

Dienstreisen und kurzfristige Geschäftsaufenthalte: Ein Aufenthalt für die Ausübung bestimmter Aktivitäten ist bis zu 90 Tage innerhalb von sechs Monaten zulässig. Der Verkauf von Waren oder die Dienstleistungserbringung an die allgemeine Öffentlichkeit ist nicht erlaubt. Die Konditionen und die erlaubten Aktivitäten sind im Annex SERVIN-3 aufgelistet. Dies schließt u. a. die Teilnahme an Besprechungen oder Konsultationen, den Besuch von Messen, Fortbildungen oder Abschluss von Verträgen sowie Kundendienstleistungen ein.

Visafreiheit: Visafreies Reisen im Einklang mit den nationalen Regelungen wird durch das Handels- und Kooperationsabkommen gewährleistet (grundsätzlich 90 Tage innerhalb von 180 Tagen). Die Visafreiheit ist an die Gleichbehandlung aller Mitgliedstaaten sowie an Reziprozität gebunden: Sollte das VK die Visafreiheit für einen Mitgliedstaat aufheben, wird die EU Maßnahmen ergreifen, die anschließend die Visafreiheit für Briten in die EU beenden können.

Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit: Die künftigen Regeln sind im Protokoll über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit festgelegt. Sie gelten für Personen, die sich in einer grenzüberschreitenden Situation zwischen einem oder mehreren Mitgliedstaaten und dem VK befinden. Die wichtigsten Inhalte:

  • Angepasster sachlicher Geltungsbereich: Die meisten Leistungen der Verordnung 883/2004/EG sind enthalten, Familienleistungen aber entfallen. Das Protokoll gilt auch nicht für besondere beitragsunabhängige Geldleistungen, die im Teil 1 vom Annex SSC-1 aufgelistet sind, oder für Leistungen bei Pflegebedürftigkeit, die im Teil 2 vom Annex SSC-1 aufgelistet sind.
  • Koordinierungsregeln: Die Bestimmungen der Verordnung 883/2004/EG (Gleichbehandlung; Gleichstellung von Leistungen, Einkünften, Sachverhalten oder Ereignissen; Zusammenrechnung der Zeiten; Aufhebung der Wohnortklauseln) werden weiterhin angewandt.
  • Anwendbares Recht: Personen, für die das Protokoll gilt, unterliegen den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Somit wird eine Doppelverbeitragung vermieden. Grundsätzlich unterliegen Beschäftigte den Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaates, sonst gelten die Rechtsvorschriften des Wohnstaates.
  • Entsendungen: Die einzelnen Mitgliedstaaten können in Zukunft jeweils entscheiden, ob sie von den allgemeinen Regeln des anwendbaren Rechts abweichen wollen und ihre Rechtsvorschriften auch für Personen anwenden werden, die in das VK entsandt sind. Solche Mitgliedstaaten werden künftig in Kategorie A von Annex SSC-8 aufgelistet. Diese Ausnahmeregelung gilt nur für die EU-Mitgliedstaaten, nicht für das VK. Die Koordinierung ist für maximal 24 Monate zulässig. Genaue Ausführungen der anzuwendenden Bestimmungen befinden sich im Titel II vom Annex SSC-7.
  • Beschäftigung in zwei oder mehr Staaten: Der Beschäftige unterliegt den Rechtsvorschriften des Wohnstaates, wenn dort der wesentliche Teil der Tätigkeit ausgeübt wird. Sonst gelten die Rechtsvorschriften des Staates, in dem der Arbeitgeber registriert ist oder die Rechtsvorschriften des Wohnstaates, wenn die Person für mehrere Arbeitgeber arbeitet und diese in verschiedenen Staaten registriert sind.
  • Bescheinigungen: Laut Annex SSC-7 werden alle Bescheinigungen, die vor dem Inkrafttreten des Protokolls für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit verwendet wurden, für die Implementierung des Protokolls weiterhin für eine vorübergehende und noch undefinierte Periode verwendet. Dies gilt auch für A1-Bescheinigungen. Alle Bescheinigungen, die während dieser Periode ausgestellt wurden, bleiben bis zu ihrem Ablauf oder Annullierung gültig.
  • Ablaufdatum („sunset clause“): Das Protokoll gilt für die Dauer von 15 Jahren nach Inkrafttreten des Handels- und Kooperationsabkommens. Die EU und das VK können bis spätestens zwölf Monate vor Ablauf des Protokolls Verhandlungen über ein neues Protokoll beginnen, wenn eine Vertragspartei dies beantragt. Falls das Protokoll ausläuft, werden diejenigen Rechte aus dem Protokoll weiterhin geschützt, die während der Gültigkeit des Protokolls eingetreten sind.
  • Gebühren: Der betroffene Staat darf im Einklang mit nationalen Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen für Drittstaatsangehörige eine Gebühr („health fee“) verlangen. Dies ist beispielsweise im VK vorgesehen.
     

Qualifikationen: Die EU-Regelungen zur gegenseitigen Anerkennung von Qualifikationen entfallen. Das Handels- und Kooperationsabkommen beinhaltet keine Vorschriften zur Anerkennung von Qualifikationen. Die Vertragsparteien dürfen verlangen, dass natürliche Personen über notwendige berufliche Qualifikationen für bestimmte Tätigkeiten verfügen.

Ab dem 1. Januar 2021 müssen solche beruflichen Qualifikationen im betroffenen Land grundsätzlich gemäß den nationalen Regelungen für Drittstaatsangehörige anerkannt werden. Die zuständigen Behörden können dem Partnerschaftsausschuss Empfehlungen über die Anerkennung von Qualifikationen vorlegen.

Gleiche Wettbewerbsbedingungen (Level-Playing-Field): Die Vertragsparteien dürfen grundsätzlich Regeln festlegen, das Schutzniveau bestimmen und ihre Gesetze im Einklang mit internationalen Verpflichtungen ändern. Das Handels- und Kooperationsabkommen sieht vor, dass das gewährleistete Niveau nicht unter den Stand abgesenkt wird, der in den am Ende der Übergangsperiode in der EU und im VK geltenden gemeinsamen Standards vorgesehen ist. Dies gilt für Grundrechte am Arbeitsplatz, Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, faire Arbeitsbedingungen und Beschäftigungsstandards, Informations- und Konsultationsrechte auf Unternehmensebene sowie Umstrukturierung. Streitigkeiten bezüglich dieser Vorschriften unterliegen den besonderen Streitbeilegungsverfahren des Kapitels, nicht den sonstigen vorgesehenen Streitbeilegungsmechanismen des Abkommens.

Teilnahme an Unionsprogrammen: Das VK wird künftig nur an wenigen Unionsprogrammen teilnehmen. Am Erasmus+-Programm wird sich das VK nicht beteiligen.

Übergangsregelung für personenbezogene Daten: Die Übermittlung von personenbezogenen Daten in das VK wird für eine Übergangsphase nicht als Übermittlung in einen Drittstaat im Sinne des Unionsrechts betrachtet, vorausgesetzt dass das VK den aktuellen Rechtsstand vom 31. Dezember 2020 weiterhin anwendet. Die Übergangsphase endet entweder mit der Angemessenheitsentscheidung der EU-Kommission im Einklang mit dem Unionsrecht oder nach Ablauf von vier Monaten nach dem Inkrafttreten des Abkommens (verlängerbar um weitere zwei Monate, wenn keine Partei dem widerspricht).

Urteile gelten nicht mehr: Die grenzüberschreitende Anerkennung und Vollstrek­kung von Urteilen finden keine Anwendung mehr. Das sollte bei der Wahl des Gerichtsstandes berücksichtigt werden.

Nächste Schritte

Das Handels- und Kooperationsabkommen wird vorläufig ab dem 1. Januar 2021 bis zum 30. April 2021 angewendet. Bis zu diesem Zeitpunkt soll das Europäische Parlament die Möglichkeit bekommen, das Abkommen zu prüfen und zu billigen. Die Implementierung des Handels- und Kooperationsabkommens wird fünf Jahren nach dem Inkrafttreten überprüft. Im Rahmen des Abkommens haben die EU und das VK sich auf ein Verfahren zur Streitbeilegung geeinigt. Für die Verwaltung und Imple­mentierung des Abkommens werden ein übergeordneter Partnerschaftsausschuss und spezialisierte Ausschüsse eingerichtet.

Der Vorschlag der Kommission über die vorläufige Anwendung des Abkommens muss vom Rat der EU einstimmig angenommen werden. Für das endgültige Inkrafttreten sind die Zustimmung des Europäischen Parlaments mit Mehrheit seiner

Mitglieder sowie ein einstimmiger Beschluss des Rates der EU notwendig. Die Kommission ist der Ansicht, dass eine Ratifikation durch nationale Parlamente der Mitgliedstaaten nicht erforderlich ist. Zudem muss das Abkommen auch im VK gemäß den nationalen Vorschriften ratifiziert werden.

Weitere Informationen

Details und weiterführende Links finden Sie hier.

Vollständige „Grundsatzvereinbarung“

Fragen und Antworten

Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich: Eine neue Beziehung mit großen Veränderungen – Broschüre

Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich: Eine neue Beziehung mit großen Veränderungen – Überblick über die Folgen und Vorteile

Beziehungen EU-Vereinigtes Königreich: Vom Referendum im Vereinigten Königreich zu einem neuen Handels- und Kooperationsabkommen – Infografik

Beziehungen EU-Vereinigtes Königreich: Vom Referendum im Vereinigten Königreich zu einem neuen Handels- und Kooperationsabkommen – Zeitschiene

Weitere Informationen zum Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union und zum Austrittsabkommen

Hotline für Unternehmen mit Fragen zur Brexit-Entscheidung

Hotline des Bundesministeriums
für Wirtschaft und Energie

Telefonnummer: 030 340 6065 61
E-Mail: brexit@buergerservice.bund.de

Informationen der Europäischen Kommission

Weitere Informationen

Rundschreiben
Stellungnahme

BDA-Stellungnahme mit dem Vereinigten Königreich zum EU-Handelsabkommen

Rundschreiben
Arbeitnehmerentsendung

Grenzüberschreitender Personaleinsatz im Vereinigten Königreich

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Klaus Jeske, UVB, Unternehmensverbände, Berlin, Brandenburg
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