22.01.19

„Ein verheerendes Signal für den Wirtschaftsstandort Berlin“

Interview mit Prof. Dr. Michael Voigtländer Leiter des Kompetenzfelds Finanzmärkte und Immobilienmärkt, Institut der deutschen Wirtschaft Köln

Wohnraum wird knapp, die Mieten sind deutlich gestiegen. Berlins Wohnungsmarkt wird immer enger. Nun möchte eine Bürgerinitiative große Immobilienunternehmen enteignen. Und der Regierende Bürgermeister Michael Müller hat sich dafür ausgesprochen, Wohnungen zurückzukaufen.

Herr Voigtländer, wären Enteignungen die richtige Antwort auf die Wohnungsprobleme in Berlin?

Berlin hat einen Wohnungsmangel, durch die Enteignung entsteht aber kein zusätzlicher Wohnraum. Ansonsten kann man sich über das jetzt in Berlin ins Spiel gebrachte Enteignungsvorhaben nur wundern. Eine Enteignung ist immer nur das allerletzte Mittel, wenn es keine anderen Lösungen gibt. Beispiele sind mir nur aus der Verkehrsplanung oder bei großen Infrastrukturprojekten bekannt. Dort werden z.B. Grundbesitzer enteignet, um Großprojekte zu ermöglichen. Aber dass ganze Unternehmen enteignet werden, ist in der Bundesrepublik Deutschland meines Wissens bisher nicht vorgekommen.

Was brächten Enteignungen für den Berliner Wohnungsmarkt?

Natürlich könnte die öffentliche Hand als Eigentümerin die Mieten einfrieren, was zu Entlastungen bei den jeweiligen Mietern führt. Man darf aber nicht vergessen, dass in dem fraglichen Wohnungsbestand auch gut verdienende Mieter wohnen. Wenn man Wohnungen verstaatlicht und die Mieten einfriert, werden gut betuchte Mieter direkt vom Land Berlin subventioniert. Insofern wären Enteignungen aus meiner Sicht in wohnungspolitischer, marktwirtschaftlicher und ordnungspolitischer Hinsicht verheerend.

Prof. Dr. Michael Voigtländer, Leiter Kompetenzfeld Finanzmärkte und Immobilienmärkte, IW Köln

Als Alternative ist der Rückkauf von ehemals landeseigenen Wohnungen im Gespräch. Kann sich Berlin das leisten?

Dabei muss man sich am heutigen Marktwert der Objekte orientieren. Da können gewaltige Summen zusammenkommen. Hinzu kommt, dass Wohnungen auch bewirtschaftet werden müssen. Wenn Mieten aufgrund politischer Vorgaben aber gedeckelt werden, macht die öffentliche Hand als Eigentümerin irgendwann Verluste. Je nach Haushaltslage fehlen womöglich dann die nötigen Mittel, um in die Bestände zu investieren. Die Qualität der Objekte würde schon bald darunter leiden. Abgesehen davon würden die Mittel auch fehlen, um die dringend benötigten neuen Wohnungen zu bauen.

Was sollte Berlin in Sachen Wohnungspolitik jetzt tun?
Berlin wächst aktuell um rund 40.000 Einwohner pro Jahr. Das entspricht einer mittelgroßen Stadt. In den 2030er Jahren wird Berlin die Vier- Millionen-Marke knacken. Dafür muss der Senat jetzt die Weichen stellen und neue Stadtviertel planen und vor allem auch dringend neues Bauland ausweisen.

Gibt es einen Weg, den Anstieg der Mieten zu  bremsen?

Der Markt wird sich erst entspannen, wenn die Bautätigkeit mit dem Einwohnerwachstum Schritt hält. Um der Unzufriedenheit von Mietern zu begegnen, sollte der Senat darüber hinaus mit den Unternehmen verhandeln, zum Beispiel über Härtefallklauseln für Mieter, die 40 Prozent und mehr ihres Gehalts für die Miete aufwenden müssen. Denn die Wohnungsbaugesellschaften können es sich eigentlich nicht leisten, Mieter zu verlieren.

Es gibt in Berlin einen Sanierungsstau. In den zurückliegenden Jahren wurde viel zu wenig saniert. Das muss jetzt nachgeholt werden. Die Sanierungen lassen sich aber nur über höhere Mieten refinanzieren, die durch die höhere Wohnqualität ja dann auch gerechtfertigt sind. Vielleicht muss man noch einmal über die Höhe der Sanierungsumlage sprechen. Man muss jetzt an die Eigentümer appellieren, bei denen Übertreibungen bestehen, und hier auch gesetzliche Spielräume nutzen. Wichtig ist aber festzuhalten, dass die im Fokus stehenden Wohnungsunternehmen nicht gegen geltende Gesetze verstoßen haben, auch die Deutsche Wohnen nicht.

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