12.12.21

UVB-Präsident Stefan Moschko: "Berlin kann mehr. Das wissen wir auch."

Interview von Dominik Bath mit UVB-Präsident Stefan Moschko, erschienen am 12. Dezember 2021 in der Berliner Morgenpost

Berliner Morgenpost: Herr Moschko, bei ihrer Antrittsrede als neuer UVB-Präsident haben Sie gesagt, die Bedingungen für neue Investitionen und Arbeitsplätze müssten an vielen Stellen besser werden. Haben Sie den Eindruck, dass mit dem Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und Linken in Berlin vieles besser werden kann?

Stefan Moschko: Wir sehen den Koalitionsvertrag zunächst mal positiv. Unser Eindruck von der designierten Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey ist zudem, dass das Thema Wirtschaft für sie einen wichtigen Raum einnimmt.

Denken Sie, Frau Giffey wird es dann auch gelingen, die Senatspolitik wirtschaftsfreundlicher zu gestalten als ihrem Amtsvorgänger?

Ich hoffe es. Im Koalitionsvertrag ist ja zum Beispiel auch festgehalten, dass es eine Willkommenskultur für neue Unternehmen geben soll. Das war ja in Berlin zuletzt nicht immer selbstverständlich. Aber am Ende des Tages wird man sehen, wie das Regierungshandeln dann in den Jahren sein wird. Wir sehen aber gute Ansätze. Frau Giffey hatte mit den „Fünf Bs“ Wahlkampf gemacht und ein „B“ ist ja „beste Wirtschaft“. Da sind wir bereit, die neue Regierung zu unterstützen.

Ein „B“ steht ja auch für „beste Bildung“. Das Ressort liegt seit 25 Jahren in SPD-Hand. Glauben Sie, da ist unter erneuter Führung der Partei ein Aufbruch möglich?

Das Kapitel Bildung im Koalitionsvertrag sehen wir tatsächlich nicht gerade als stärkstes Kapitel an. Da hätten wir mehr erwartet. Denn Bildung ist in der Tat ein großes Thema. Hier hätten wir uns mehr konkrete Themen gewünscht, denn alle Instrumente zur Verbesserung der Schulqualität liegen auf dem Tisch und wir halten nichts davon, nun nochmal Kommissionen einzusetzen oder Planungsaufträge zu vergeben. Es gibt ja bereits ein Konzept für bessere Bildung von der Expertenrunde um Professor Köller. Das sollte man jetzt einfach  umsetzen.

Bei welchen Themen im Bildungsbereich hätten Sie sich konkrete Umsetzungen gewünscht?

Die Grundlagen für die Bildungschancen werden in den ersten Lebensjahren gelegt. Deshalb brauchen wir schon in den Kitas gute Bedingungen für frühkindliches Lernen. In den weiterführenden Schulen muss aus meiner Sicht zudem das Thema Leistung wieder stärker akzentuiert werden. Berlin gibt darüber hinaus bundesweit das meiste Geld pro Schüler aus. Da sind wir spitze. Doch bei der schulischen Qualität sind wir hinten dran.

Das macht vor allem Unternehmen Probleme. Sie melden uns oft, dass die Schülerinnen und Schüler, die sich um eine Ausbildung bewerben, Wissenslücken in zu vielen Bereichen haben. Da gibt es junge Leute, die nicht mal in der Lage sind, die vier Grundrechenarten zu beherrschen. Konkret wünsche ich mir auch, dass die Schulleitungen mehr Kompetenzen haben. Dort müssen gute Leute sitzen, die Schulen managen, die auch entscheiden und mitgestalten können. Ich könnte noch weitere Themen auffächern. Aber die Politik muss endlich mal die Probleme angehen. Wir müssen die rote Laterne bei der Schulpolitik endlich loswerden.

Bei der Industrie will die Koalition die Transformation vorantreiben, man will dezidierte Flächen auf den elf Berliner Zukunftsorten Flächen ausweisen und in Oberschöneweide das geplante Innovations- und Technologiezentrum Industrie 4.0 umsetzen. Reicht das?

Die Ansätze sind gut. Entscheidend ist aber, dass wir auch in der Praxis rasch in die Umsetzung kommen. Dafür müssen etwa Planungszeiten verkürzt werden und die Verwaltung muss effektiver werden. A propos Verwaltung: Abseits der Prozesse, die sich auf die Industrie auswirken, geht es einfach nicht an, dass Menschen monatelang auf einen neuen Ausweis warten müssen, dass Wahlen nicht ordnungsgemäß abgewickelt werden oder dass wir weiterhin Probleme am BER haben. Das alles sendet negative Signale in die Republik. Berlin kann mehr. Das wissen wir auch. Diese Stadt muss einfach wieder funktionieren.

Die Koalition will die Verantwortung für die Vergabeorganisation bündeln und auch die Anzahl der Vergabestellen reduzieren, gleichzeitig soll auch der Landesmindestlohn auf 13 Euro pro Stunde angehoben werden. Kommt das so, dürften Sie Licht und Schatten sehen, richtig?

Die Anhebung des Vergabe-Mindestlohns ist ein erneuter Eingriff in die Tarifautonomie. Zudem gibt es bei der Vergabe öffentlicher Aufträge viel zu viel Bürokratie.  Darum muss sich der neue Senat dringend kümmern. Wichtig ist generell, dass wir die Wirtschaft nicht ständig mit neuen Belastungen konfrontieren. Deswegen halten wir auch nichts davon, im Vergaberecht zusätzliche Hürden aufzubauen. Das hilft im Tagesgeschäft einfach nicht weiter. Wir dürfen Wirtschaft nicht ideologisieren, sondern sie muss unterstützt werden.  Wenn das der Politik gelingt, kommen wir in Berlin einen großen Schritt nach vorne.

Beim Thema Genehmigungen will auch das Land Berlin schneller werden. Tesla hat in Brandenburg einfach mal ohne abschließende umweltrechtliche Genehmigung ein ganzes Werk hochgezogen. Sollte das Vorgehen Vorbildcharakter haben?

Mir ist nicht bekannt, dass da ein Werk ohne Genehmigungen entstanden ist. Meines Wissens läuft das alles ordnungsgemäß. Tesla aber ist ein gutes Beispiel, wie erfolgreiche Wirtschaftspolitik aussehen kann. Ich glaube, dass geht auch in Berlin. Auch hier gibt es gute Ansätze. Für uns ist darüber hinaus auch immer wichtig, dass wir Berlin und Brandenburg als einen Wirtschaftsraum denken. Brandenburg ist ohne Berlin nicht denkbar und auch dortige Erfolge wären ohne Berlin nicht da. Berlin kann ohne Brandenburg aber auch nicht.

Neben Tesla halte ich dabei auch den BER für entscheidend. Da müssen wir weiter Potenziale heben, denn mit der geringen Anzahl an Langstreckenverbindungen ist der BER noch nicht da, wo wir hinwollen. Das muss sich ändern. Dafür muss sich auch das neue FDP-geführte Bundesverkehrsministerium einsetzen.

Auf gemeinsame Einrichtungen wie etwa eine Wirtschaftsfördergesellschaft für Berlin und Brandenburg verzichtet man aber. Hätten Sie sich das erhofft?

Ich glaube, was wir haben, ist ausreichend und funktioniert gut. Man muss in dem einen oder anderem Thema noch etwas genauer hinschauen und auch bereit sein, Dinge gemeinsam zu gestalten. Meines Erachtens sind aber alle Rezepte für ein erfolgreiche Entwicklung in der Metropolregion da.

Ein anderes Thema mit viel Konfliktpotenzial für die neue Berliner Koalition ist der Umgang mit dem erfolgreichen Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“. Wie sehen Sie die Positionierung?

Wir sehen es zunächst mal positiv, dass sich die Koalition auf ein Bündnis für Wohnen verständigt hat. Auch unsere Unternehmen sind interessiert an bezahlbaren Mieten, denn sonst machen die wichtigen Fachkräfte  einen Bogen um Berlin. Wir hoffen, dass wir mit dem Bündnis schnelle Fortschritte vor allem beim Bau preiswerter Wohnungen bekommen. Wir nehmen das Ergebnis des Volksentscheids zur Kenntnis. Wichtig ist aber, wie man damit umgeht.

Die Expertenkommission muss intensiv beleuchten, ob das Vorhaben juristisch überhaupt zulässig ist. Zudem hätten Enteignungen enorme finanzpolitische Folgen, und Berlin als Investitionsstandort würde schwer beschädigt. Die Politik nimmt das Thema auf und wir werden das genau weiterverfolgen.

Was erwarten Sie dann?

Was auf keinen Fall passieren darf ist, dass sich Berlin erneut vor dem Bundesverfassungsgericht blamiert, so wie das beim Mietendeckel das Fall war. Die Koalition sollte also nicht wiederholt Dinge anstreben, die in diesem Staat aus gutem Grund nicht möglich sind.

Derzeit beschäftigt vor allem die Corona-Krise weiter die Unternehmen. Die Koalition will aber auch die Transformation vorantreiben, Klimaneutralität steht mehr und mehr im Fokus. Haben Sie Angst, dass die Vielzahl von Aufgaben die Unternehmen überfordert?

Nein, das glaube ich nicht. Für große Teile der Wirtschaft ist der Klimaschutz schon heute ein wichtiges Handlungsfeld. Das sehen wir zum Beispiel auch an Leuchtturmprojekten in Berlin. Was ich mir dabei mit Blick auf den Koalitionsvertag gewünscht hätte, ist, dass man die Ziele auch konkret mit Zeithorizonten und Finanzierungen hinterlegt. Wir finden ja viele Themen in diesem Vertrag, die wir auch vor fünf Jahren schon gelesen haben. Da ist manches Wort nur umgedreht worden. Also: Bitte jetzt machen!

Die Aufträge der deutschen Industrie sind im Oktober zum zweiten Mal binnen drei Monaten eingebrochen, ähnliches dürfte auch für den Firmen gelten, die am Standort Berlin tätig sind. Wann haben wir das Tief überwunden?

Wir haben zwei aktuelle Themen in der Wirtschaft: die Pandemie und die Material-Knappheit. Beides hängt miteinander zusammen und beides trägt dazu bei, dass wir den Erholungskurs nicht nachhaltig einschlagen konnten. Wir haben derzeit große Probleme in den Lieferketten.  Unseren Firmen fehlen Teile aus Asien, aber auch ganz kleine Komponenten, die wir aber brauchen, um produzieren zu können. In einer aktuellen Umfrage haben 80 Prozent der Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie angegeben, sie hätten zunehmend Schwierigkeiten bei der Materialversorgung.

Das ist eine große Herausforderung für die Wirtschaft und wir sehen Bremsspuren beim Aufschwung. Ein weiteres Problem ist die hohe Inflation, die uns auf den Rohstoffmärkten und beim Materialeinkauf beschäftigen wird. Insofern sind das schlechte Vorzeichen und deswegen ist es ganz wichtig, dass wir in der Politik einen verlässlichen Partner an der Seite der Wirtschaft haben.

Berlins neuer Senat will Lieferketten regionaler aufstellen. In welchem Rahmen ist das überhaupt machbar?

Man liest ja schon von einigen Firmen, die versuchen, das zu ändern. Wir können die Globalisierung nicht zurückdrehen und die Arbeitsteilung hat auch gute Gründe, aber manches kann man hinterfragen. Denn Lieferketten heißt auch, dass Teile aus Asien bei uns eingeführt werden müssen. Das verschlechtert den CO2-Fußabdruck. Deshalb glaube ich, dass manche Firmen jetzt auch neu überlegen.

Dass man die Zeit zurückdreht und sagt, wir machen jetzt alles nur hier, das wird nicht funktionieren. Dafür ist die Weltwirtschaft zu sehr miteinander verzahnt. Ein wichtiger Punkt ist aber, dass man es der Wirtschaft selbst überlässt, wie sie ihre Lieferketten organisiert. Das weiß die Politik sicherlich nicht besser.

Auch die Corona-Krise hält die Wirtschaft weiter in Atem. Welchen Start ins neue Jahr erwarten Sie für die Berliner Industrie?

Die Zahlen lassen nichts Gutes erahnen. Alle Maßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung sind da und wir werden sehen, wie weit sie tragen. Aber die Instrumente, die es gibt, müssen auch konsequent umgesetzt werden. Dazu gehört auch Disziplin von allen. Worauf wir aber auch hoffen müssen, ist, dass die neue Virus-Variante nicht die Brutalität und Gefährlichkeit hat, die befürchtet wird.

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