
„Viele Branchen stehen unter Druck“
Herr Schirp, die UVB-Frühjahrsumfrage 2025 zeigt eine besorgniserregende Stimmung in der Wirtschaft. Was sind die größten Herausforderungen für die Unternehmen in der Hauptstadtregion?
Alexander Schirp: Unsere Umfrage zeigt, dass viele Branchen unter Druck stehen. Besonders das Verarbeitende Gewerbe – also Maschinenbau, Chemieindustrie und Bauwirtschaft – berichten von einer schwierigen Lage und dürftigen Zukunftsaussichten. Die Verunsicherung ist groß angesichts der geopolitischen Lage, steigender Kosten und einer ausufernden. Fast 60 Prozent der befragten Branchen erwarten eine schlechtere Entwicklung als im Vorjahr und wollen weniger investieren – das ist ein Alarmsignal.

Was bedeutet das konkret für den Standort Berlin-Brandenburg?
Schirp: Wenn Unternehmen weniger investieren, hat das langfristige Folgen für Wachstum und Beschäftigung. Im schlimmsten Fall fahren Firmen ihre Produktionskapazitäten herunter oder wandern ab. Das müssen wir unbedingt verhindern. Berlin und Brandenburg brauchen eine starke Industrie – für Wertschöpfung, Forschung und gute Arbeitsplätze.
Die Start-up-Branche ist eine der wenigen, die positiv in die Zukunft blickt. Warum ist das so?
Schirp: Die Start-ups profitieren von ihrer Innovationskraft und der Digitalisierung. Aber auch sie brauchen gute Rahmenbedingungen. Wenn sich Investoren zurückhalten, leidet auch dieser Sektor. Die jungen Unternehmen brauchen bessere Finanzierungsbedingungen, schnelleren Verfahren in den Behörden und eine moderne digitale Infrastruktur.
Was ist mit den übrigen Dienstleistungsbranchen?
Schirp: Auch Handel, Hotels und Gaststätten leiden unter der Unsicherheit. Die Verbraucherinnen und Verbraucher halten ihr Geld zusammen angesichts vieler Veränderungen um sie herum.

Kann die Politik etwas tun, um gegenzusteuern?
Schirp: Die Politik muss dringend die richtigen Weichen für bessere Standortbedingungen stellen. Erstens: Bürokratieabbau. Die große Mehrheit der Unternehmen bewertet den Standortfaktor Bürokratie als „schlecht“. Wir brauchen hier dringend wir Fortschritte – von schnelleren Genehmigungsverfahren bis hin zur besseren Digitalisierung der Verwaltungen.
Zweitens: Verlässliche Energiepreise. Viele Unternehmen zahlen aktuell zu viel für Strom und Gas. Wir brauchen eine gezielte Entlastung der Wirtschaft.
Drittens: Wohnungsbau. 89 Prozent der Unternehmen in Berlin sagen, dass der Wohnungsmarkt ein Problem ist. Wenn Fachkräfte keine bezahlbare Wohnung finden, kommen sie gar nicht erst hierher. Wir brauchen mehr Neubau, weniger Auflagen und eine Beschleunigung der Planungsverfahren.
Union und SPD haben sich in ihrem Sondierungspapier auf einige wirtschaftspolitische Maßnahmen geeinigt. Wie beurteilen Sie diese?
Schirp: Wir sehen Licht und Schatten. Die angekündigten Investitionen, der Bürokratieabbau und die Senkung von Steuern und Energiepreisen sind Schritte in die richtige Richtung. Aber es fehlen klare Signale für eine Reform der Sozialversicherung, um die Lohnnebenkosten stabil zu halten. Zudem gibt es viele neue Ausgaben, ohne dass ausreichend gegenfinanziert wird – das ist riskant für die finanzielle Stabilität.
Was fordern Sie konkret von der nächsten Bundesregierung?
Schirp: Eine mutige Standortpolitik, die die Wirtschaft nicht ausbremst, sondern unterstützt. Dazu gehört: ein echtes Belastungsmoratorium für Unternehmen, ein Planungs- und Genehmigungs-Turbo für Investitionen, eine verlässliche Energiepolitik und eine klare Priorisierung der öffentlichen Ausgaben. Nur so können wir Berlin und Brandenburg als Wirtschaftsstandort langfristig stärken. Zudem müssen wir die Bedingungen dafür schaffen, dass die Hauptstadtregion ein relevanter Standort für die Sicherheitsindustrie wird. Mit der Stärke der Start-ups in Sachen KI und Technologie haben wir dafür gute Voraussetzungen.