27.09.18Potsdam

"Wir müssen selbstbewusster sein"

Dr. Frank Büchner, Präsident der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg, sieht gute Perspektiven für die Mark – wenn die Politik ihre Hausaufgaben macht.

Brandenburgs Wirtschaft wächst derzeit über dem Bundesschnitt. Ist das ein Zeichen, dass wir noch etwas aufzuholen haben?

Brandenburg entwickelt sich, getrieben durch die Industrie, schon seit Längerem sehr gut. Selbstverständlich kann man den Industriestandort Brandenburg noch nicht mit großen Industrieregionen in den alten Bundesländern vergleichen. Aber insgesamt kann sich die Entwicklung sehen lassen. Von 2005 bis heute hat sich die Arbeitslosenzahl um zwei Drittel reduziert.

Auch deutschlandweit sind die Zahlen durchweg positiv. Trotzdem herrscht in Teilen der Bevölkerung eine große Unzufriedenheit, und in Berlin streitet sich die GroKo wochenlang um Personalien. Schadet das dem Wirtschaftsstandort?

Die gute wirtschaftliche Situation ist das Ergebnis der richtigen Weichenstellungen der vergangenen Jahre. Was wir jetzt an politischen Diskussionen erleben, schadet unserem Ansehen – in der eigenen Bevölkerung wie im Ausland. Die Politik muss sich unbedingt wieder darauf besinnen, die richtigen wirtschaftlichen Leitplanken für die Zukunft zu setzen, anstatt sich in personellen Detailfragen in aller Öffentlichkeit zu verkämpfen.

"Brandenburg und Berlin müssen enger zusammenarbeiten"

Welche Weichenstellungen fordern Sie in Brandenburg? In einem Jahr sind Landtagswahlen.

Es sind die drei Ds – Demografie, Digitalisierung und Daseinsvorsorge -, um die sich die Politik kümmern muss. Dazu gehört dringend die flächendeckende Versorgung mit Breitbandanschlüssen ab 50 Megabit, da haben wir einiges aufzuholen. Der Mangel an Fachkräften ist erheblich. Um dem zu begegnen, muss es gute Verkehrsanbindungen geben und bezahlbaren Wohnraum.

Wirtschaft kennt keine Landesgrenzen. Arbeiten Berlin und Brandenburg gut genug zusammen?

Naja, einen weiteren Anlauf zu einer Fusion wird es in absehbarer Zeit kaum geben. Aber die Kabinette beider Länder tagen regelmäßig gemeinsam. Das muss auch so sein. Der gesamte Wirtschaftsraum um die Hauptstadt bietet enorme Chancen, die man sinnvoll nutzen muss. Das geht besser, wenn beide Länder enger zusammenarbeiten.

In Berlin fehlt es an Wohnraum und Gewerbeflächen. Wird Brandenburg davon profitieren?

"Es braucht 133 Tage, um eine Stelle zu besetzen - ein Spitzenwert"

Unternehmen finden innerhalb des Autobahnringes auf Brandenburger Seite in der Tat inzwischen bessere Möglichkeiten. Wir müssen es ermöglichen, dass die Auszubildenden und Arbeitnehmer aus Berlin besser nach Brandenburg zu ihrem potenziellen Arbeitsplätzen kommen – und umgekehrt. Wir brauchen die Straßen, die gut getakteten Bahnverbindungen, aber auch eine Unterstützung durch das Land für Auszubildende, zum Beispiel in Form eines Mobilitätstickets.

Wie sehr ärgert es Sie, dass die Regierungen von Berlin und Brandenburg nicht rechtzeitig neue Züge bestellt haben?

Der Nachholbedarf beim Bahnverkehr ist ein bundesweites Thema. Nachdem die Bahnstrecke Berlin-München ausgebaut wurde, hat sich die Passagierzahl verdoppelt. Das zeigt, wie wichtig einer guten Infrastruktur ist, auch regional. Das kann den gemeinsamen Ausbildungs- und Arbeitsmarkt unterstützen. In Brandenburg gibt es in diesem Jahr noch über 4000 offene Lehrstellen. Ein anderer Indikator dafür, wie eklatant das Fachkräfteproblem in der Region ist, ist die lange Suche nach Personal. In Brandenburg dauert es im Durchschnitt 133 Tage, bis eine offene Stelle besetzt ist. Das ist so lange wie in keinem anderen Land. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 105 Tagen. Das zeigt den dringenden Handlungsbedarf.

Kommende Woche begehen wir den Tag der deutschen Einheit. Warum zahlen die Unternehmen nach 28 Jahren nicht endlich Löhne auf Westniveau?

Es ist eine Frage der Tarifparteien und Branchen. Sie entscheiden anhand der Wettbewerbsfähigkeit und Marktsituation, welche Löhne gezahlt werden können. In der Metallbranche gibt es keine unterschiedlichen Tarifeinstufungen mehr. Ich glaube, dass insgesamt die Annäherung stärker ist als noch vor zehn Jahren. Man muss aber immer auch die jeweiligen Lebenshaltungskosten berücksichtigen. Die Ausgaben für Nahverkehr oder Wohnen in München oder Stuttgart sind höher als in der Lausitz oder der Uckermark. Das betrifft nicht nur Ost und West, sondern ist auch in Nord und Süd sehr unterschiedlich.

"Dax-Unternehmen werden kommen"

Warum gibt es noch immer kein Dax-Unternehmen in Ostdeutschland?

Die Dax-Unternehmen existieren teilweise schon über hundert Jahre, und man verlegt nicht einfach mal so seinen Unternehmenssitz. Es liegt an uns. Wir in der Hauptstadtregion müssen selbstbewusster sein. Dazu haben wir Gründe. Die Start-up-Szene in und um Berlin boomt. Wenn wir hier am Ball bleiben, sehe ich keinen Grund, warum wir in Zukunft nicht auch Dax-Unternehmen haben werden.

Es gibt Forderungen, dass die Arbeit der Treuhand untersucht wird. Was halten Sie von einer solchen „Wiedergutmachungskommission“?

Es gab sicher einiges, das man hätte besser oder anders machen können. Aber die Wiedervereinigung war ein einmaliger Prozess, für den es keine Blaupause gab. Trotz aller Probleme ist der Prozess insgesamt sehr gut verlaufen, und wir sollten nach vorne schauen.

Das Gespräch führte Torsten Gellner.
Erschienen am 27. September 2018 in der "Märkischen Allgemeinen".

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