Beiträge aus Forschung, Statistik und Familienpolitik
Vereinbarkeit: Win-Win durch bedarfsgerechte Kinderbetreuung
Die Herausforderungen des Jobs meistern, die Kinder pünktlich von Kindergarten oder Schule abholen und die eigenen Eltern versorgen – Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen erfordert weitaus mehr als nur Organisationstalent. Für Mütter und Väter sind deshalb bedarfsgerechte Infrastrukturen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf besonders bedeutsam. Das ist das Ergebnis des „Monitors Familienforschung – Investitionen in Infrastruktur für Familien“. Insbesondere der Ausbau der Ganztagsbetreuung sowie von Ganztagsschulen steht ganz oben auf der Wunschliste.
Mehr Zeit für Familie und Beruf
So zeigte auch die Analyse zeitpolitischer Aspekte, dass eine Ausweitung der Betreuungszeiten große Effekte erzielen könnte – sowohl für ein Mehr an Familienzeit als auch ein Mehr an Erwerbszeit. Rund zwei Stunden mehr Familienzeit und vier Stunden mehr Erwerbszeit wöchentlich könnten realisiert werden, wenn Kinder in Kitas und Grundschulen durchgängig bis in den Nachmittag hinein betreut wären. Auch in der besseren Koordination von Betreuungsangeboten in Randzeiten liegen erhebliche Potenziale. Rund 1,5 Stunden für die Familie und zwei Stunden für den Beruf wären zusätzlich drin, gäbe es eine bessere Abstimmung der bestehenden Betreuungsangebote.
Ein Plus für die Müttererwerbstätigkeit
In Zeiten des zunehmenden Fachkräftemangels ist die Erwerbstätigkeit von Müttern eine besonders wichtige Stellschraube. Bedarfsgerechte Infrastrukturen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sind auch hier eine wichtige Einflussgröße. Würden Kinder in der Schule auch am Nachmittag betreut werden, stiege die Erwerbstätigkeit der Mütter mit Grundschulkindern deutlich an. Das zeigt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zum Einfluss nachmittäglicher Betreuungsmöglichkeiten.
Wird das Grundschulkind in der Ganztagsschule oder im Hort regelmäßig betreut, nehmen mehr als elf Prozent der Frauen, die vor der Einschulung ihres Kindes nicht berufstätig waren, eine Erwerbstätigkeit auf. Mütter, die bereits zuvor berufstätig waren, arbeiten im Schnitt 2,5 Stunden mehr pro Woche. Auf das Erwerbsverhalten von Vätern hat die Nachmittagsbetreuung von Kindern hingegen keinen Einfluss.
250.000 fehlende Erzieher
Fehlen die Angebote, dreht sich das Verhältnis um: So wirken nicht vorhandene, unflexible oder wenig bedarfsgerechte Betreuungsangebote als klare Beschäftigungsbremse. Immer noch hinkt in vielen Kommunen und Städten das Angebot an hochwertiger und bedarfsgerechter Betreuung der Nachfrage hinterher.
Insbesondere bei den unter Dreijährigen ist die Lage dramatisch. Hier stehen bundesweit gerade mal zwei Drittel der dringend nachgefragten Plätze zur Verfügung. Für den weiteren Ausbau wären perspektivisch zusätzliche 250.000 Fachkräfte im erzieherischen Bereich nötig.
Zwar wurden in Berlin im vergangenen Jahr 6.000 neue Kitaplätze geschaffen. Angesichts des Zuzugs, der steigenden Geburtenrate und der erweiterten Betreuungsansprüche ist dies allerdings nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Zahl der vorhandenen Plätze reicht bei Weitem nicht aus, um künftig alle Bedarfe zu decken. Der aktuelle Kita-Bedarfsatlas bestätigt die Befürchtung: Schon heute können Eltern nur in wenigen Kiezen weitgehend problemlos auf vakante Betreuungsangebote zugreifen. Um die Lage zu entschärfen, müssten bis 2020 rund 30.000 neue Plätze geschaffen werden, schätzt der Senat.
Quantität braucht Qualität
Ein wichtiger und richtiger Schritt war der Beschluss des letzten Senats, der eine Verbesserung im Betreuungsschlüssel vorsah. Demnach sollten künftig mehr Erzieher pro Kindergruppe eingesetzt werden. Fraglich bleibt jedoch, wie dies zu realisieren ist. Fehlen doch schon jetzt zahlreiche Erzieherinnen und Erzieher. Ein Füllen der Plätze mit Quereinsteigern kann kaum der richtige Weg sein. Denn nur ein Betreuungsangebot, das den Bedarfen der Eltern auch in qualitativer Hinsicht genügt, trägt zu einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei und kann damit auch die Erwerbsbeteiligung von Eltern, insbesondere Frauen, erhöhen.