14.04.20

„Wir brauchen einen Fahrplan aus der Krise.“

UVB-Chef Amsinck im Interview mit dem Tagesspiegel

Tagesspiegel: Herr Amsinck, wie geht es den mittleren und großen Arbeitgebern der Region? Lässt sich das pauschal sagen?

Christian Amsinck: Die Situation hat mittlerweile die gesamte Wirtschaft in Berlin und Brandenburg erfasst. In den vergangenen Wochen standen die Branchen rund um Handel und Tourismus mit ihren enormen Problemen im Vordergrund. Auch in der Industrie und im produzierenden Mittelstand wird die Lage immer schwieriger, wie wir aus einer aktuellen Umfrage wissen. Wir beobachten zwei Tendenzen: Erstens sehen wir Unternehmen – vor allem rund um die Automobilindustrie –, die bereits in Kurzarbeit sind. Und dann die Unternehmen, die zwar noch produzieren, aber in zwei Wochen bis zwei Monaten auch Kurzarbeit einführen müssen, wenn sich die Dinge nicht schnell gravierend ändern.

Die IG Metall berichtete für Berlin Brandenburg und Sachsen von Kurzarbeit in 147 Betrieben, 70 000 Beschäftigte seien betroffen. Glauben Sie es wird noch schlimmer, oder ist das schon die Spitze?

Die Zahlen decken sich weitestgehend mit unseren. Wichtig ist, dass bald Aufträge aus dem Ausland nachkommen und Wertschöpfungsketten nicht reißen. Deshalb ist es wichtig, dass sich Berlin bei seiner Förderpolitik jetzt auch schleunigst dem Mittelstand zuwendet und diese Förderlücke schließt.

Der Bund hat diverse Programme aufgelegt – unter anderem zur besseren Versorgung mit Darlehen. Was taugen diese Programme für ihre Mitgliedsunternehmen?

Es ist gut, dass der Bund nochmal nachgebessert hat und auch etwas anbietet für Mittelständler, für die er Kredite bis zu 800.000 Euro komplett absichert. Als unmittelbare Hilfe sind aber direkte Zuschüsse unverzichtbar. Ich würde mir wünschen, dass das Land Berlin – so wie Brandenburg – für diese typischen Mittelständler mit bis zu 100 Beschäftigten etwas tut. Das wäre die Brücke, die viele brauchen. Zugleich wollen die Unternehmen nicht über einen längeren Zeitraum abhängig sein von staatlichen Alimentierungen, sondern einen Fahrplan haben, wie es weitergehen kann mit dem Geschäft.

Bis wann braucht es eine Exit-Strategie, um irreparable Schäden in der Wirtschaft noch abzuwenden?

Wir halten es für möglich und nötig, dass sich der Regierende Bürgermeister noch diesen Dienstag mit allen Länderchefs und der Bundesregierung auf einen konkreten Zeitplan verständigt. Der muss sicher abgestuft sein. So ist klar, dass man noch länger auf Großveranstaltungen verzichten muss. Aber wichtig ist, dass Dienstleister und die produzierenden Betriebe eine Perspektive bekommen. Letztere stehen bundesweit für etwa ein Viertel der Wertschöpfung hierzulande.

Die Länder haben die Programme des Bundes mit Zuschüssen aufgestockt. Berlin hat vornehmlich Soloselbstständige und Kleinunternehmen geholfen. Richtig so?

Ein Lob will ich aussprechen für die Förderbank IBB, die sehr schnell und unkompliziert die Zuschüsse ausgezahlt hat. Doch der Fokus ist zu eng auf Kleinbetriebe gesetzt. Der Senat verweist auf die Statistiken, wonach die Unternehmen bis zehn Beschäftigten den Großteil unserer Wirtschaft ausmachen. Wenn man genauer hinschaut in den klassischen Mittelstand mit zehn bis 250 Beschäftigten, stellt man fest, dass diese 17.000 Unternehmen dieser Größenordnung in der Stadt mindestens so viele Menschen beschäftigen wie die Kleinbetriebe. Die Hilfe auf die ganz kleinen Firmen zu konzentrieren, reicht nicht aus. Da machen andere Länder sehr viel mehr. Auch Brandenburg. Wenn der Senat hier nicht schnell handelt, besteht die große Gefahr, dass im Mittelstand viele tausend Arbeitsplätze verloren gehen.

Wie bewerten Sie die Hilfsstrategie aus Potsdam?

Brandenburg lässt sich mehr Zeit bei der Auszahlung, ist aber einen Schritt weitergegangen und tut etwas für Unternehmen mit bis zu 50 beziehungsweise 100 Beschäftigten. Das ist sinnvoll.

Wenn der Staat hilft, kann er auch ein Stück weit Kontrolle verlangen. Er könnte sich an einzelnen Unternehmen beteiligen. Was halten Sie davon?

Zunächst möchte ich das Bild vom Staat, der gibt, geraderücken. Der Staat hat über zehn Jahre in der Phase der Hochkonjunktur Steuern von Unternehmen und ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Rekordhöhe eingenommen. Speziell aus dem Mittelstand. Er gibt das Geld jetzt zurück. Und das muss er auch.

Und zur Kontrolle?

Da muss man differenzieren. In der Tourismuswirtschaft sind einige Unternehmen unverschuldet in eine existenzielle Krise geraten. Wenn der Bund zeitlich befristet einzelne Konzerne unterstützen würde, könnte ich daran nichts Schlechtes finden. Ich kann mir aber überhaupt nicht vorstellen, dass sich Berlin oder Brandenburg an einzelnen Firmen beteiligen.

Industrieunternehmen werden teilweise gebeten, ihre Produktion umzustellen. Sind die dazu bereit? Funktioniert das gut?

Unsere Mitgliedsunternehmen helfen ja bereits, indem auch sie Schutzausrüstung für Krankenhäuser spenden zum Beispiel. Wir hatten uns auch an einem entsprechenden Aufruf beteiligt. In einigen Fällen hat es auch Produktionsumstellungen gegeben. Es stellt sich heraus, dass wir auf Energiekrisen vorbereitet waren, aber nicht auf diese medizinische Krise. Daraus müssen wir lernen, besser Vorsorge zu treffen.

Was bedeutet die Corona-Krise für Ihren Verband?

Die Belegschaft der UVB arbeitet mehrheitlich im Homeoffice. Wir sind mit unseren Firmen trotzdem im Dauerkontakt, beraten sie zu arbeitsrechtlichen Fragen, Kurzarbeit oder zur Stundung von Sozialversicherungsbeiträgen. Viele Mitglieder lernen jetzt unseren Service vielleicht noch ein wenig besser zu schätzen als in einer Schönwetterperiode. Aber ich spüre auch die Ungeduld. Wir brauchen jetzt endlich einen Fahrplan Richtung Normalisierung.

Und wie kommen Sie persönlich mit der Situation zurecht?

Ich bin relativ häufig im Büro, auch um Präsenz zu zeigen. Ich bin einfach stolz darauf, was auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der UVB gerade leisten.

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