20.09.20

„Wir sind noch nicht über den Berg“

UVB-Präsident Dr. Frank Büchner im Interview mit der Märkischen Allgemeinen Zeitung

Am heutigen Unternehmertag der Wirtschaft wollen sich Brandenburger und Berliner Wirtschaftslenker in Potsdam unter dem Slogan „Krise, Wandel, Zukunft“ darüber austauschen, wie Wirtschaft und Politik die Weichen für die Zeit nach der Krise stellen können. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) wird die Begrüßungsrede halten. Der Präsident der Unternehmensverbände Berlin Brandenburg (UVB), Frank Büchner, skizziert die Herausforderungen.

Der Staat hat in der Corona-Krise ziemlich flott gehandelt. Welche Chancen sehen Sie, dass das Tempo auch nach der Krise beibehalten wird?

Frank Büchner: Die Geschwindigkeit der Handlungen und Entscheidungen ist einmalig gewesen, auf Landes- und auf Bundesebene. Jetzt ist es wichtig, dass die Programme, die auf den Weg gebracht wurden, rasch umgesetzt werden und die Mittel bei den Unternehmen ankommen - zum Nutzen der Region, der Menschen und der Wirtschaft.

Flink ist die Politik auch bei Entscheidungen, die der Tesla-Ansiedlung dienen.

Tesla ist ein gutes Beispiel wie es gehen kann, wenn in der Politik partei- und ressortübergreifend alle an einem Strang ziehen. Dieses Vorgehen kann als Blaupause für zukünftiges Handeln gelten. Die Politik sollte nicht dahinter zurückfallen - auch bei anderen Projekten.

Wie viele Arbeitsplätze werden außerhalb von Tesla als Folge dieser Ansiedlung entstehen - etwa bei Zulieferern?

In der Regel schafft und sichert eine Produktion dieser Größenordnung mit jedem Fabrik-Arbeitsplatz ein bis zwei weitere in der Zulieferindustrie.

Wie wird der Herbst im Vorzeichen von Corona für die Unternehmen?

Prognosen sind schwierig, wir sind noch lange nicht über den Berg. Die Unternehmen sind doppelt gefordert – zur Corona-Krise kommen noch die Folgen des Strukturwandels, vor allem in der Industrie. Das Vorkrisenniveau wird unserer Auffassung nach nicht vor dem Jahr 2022 erreicht werden.

Wie ist Brandenburgs Wirtschaft bisher durch die Krise gekommen?

Brandenburg hat in der Krise bislang Einbußen verkraften müssen, die etwa dem Bundesdurchschnitt entsprechen. Die einzelnen Branchen sind sehr unterschiedlich betroffen. Der Bau ist recht robust, im Hotel- und Gaststättengewerbe sind die Unternehmen am stärksten mitgenommen. Der Handel kommt allmählich wieder auf die Beine.

Die Industrie hat im ersten Halbjahr 7,3 Prozent Umsatzrückgang verzeichnen müssen und einen Rückgang von 2,4 Prozent bei den Beschäftigten. Zugleich sind die Aufträge um fast ein Viertel eingebrochen. Dass aber so viele Unternehmen die Kurzarbeit nutzen, ist ein verhalten positives Zeichen.

In wieweit ist die Inanspruchnahme von Kurzarbeit ein positives Signal?

Die Firmen setzen darauf, dass sie irgendwann aus dem Tal herauskommen. Dann brauchen sie Fachkräfte, die in Brandenburg weiterhin knapp sind. Deshalb halten die Firmen so lange wie möglich an ihnen fest. Viele stehen zudem unverändert zur dualen Ausbildung.

Das ist ein Signal an die Jugend: Bewerbt Euch! Trotz der Krise werden auch in Zukunft gut ausgebildete Fachkräfte benötigt. 4700 Lehrstellen sind derzeit in Brandenburg noch frei, 4000 Bewerber sind unversorgt.

Brandenburg, das darf man nicht übersehen, hat außerdem mit 6,4 Prozent die niedrigste Arbeitslosenquote aller neuen Länder. Im August ist die Arbeitslosigkeit gegenüber dem Vormonat sogar zurückgegangen. Unsere Industrie ist breit aufgestellt, ist kleinteilig. Es gibt keine so große Abhängigkeit von einzelnen Unternehmen oder Branchen.

Das ist für Brandenburg die Chance, die Krise einigermaßen glimpflich zu überstehen. Klar ist aber auch: Wir werden nicht jeden Arbeitsplatz erhalten können.

Lieferketten haben sich in der Krise als sehr anfällig erwiesen, gerade bei medizinischem Material - wie kann man sich wappnen?

Schutzausrüstung wird zunehmend auch hierzulande produziert. Es ging in der Krise nicht zuletzt um Pharmaprodukte und die Frage steht im Raum, ob man diese künftig nicht mehr so stark in Asien produzieren lässt, sondern hier. Das setzt voraus, dass die höheren Preise, die bei einer Produktion hierzulande anfallen, auch von irgendwem bezahlt werden. Das müssen die Akteure im Gesundheitswesen aushandeln.

Eine sichere Versorgung ist wünschenswert, es muss sich aber alles rechnen für die Unternehmen. Eine Regionalisierung über alle Branchen halte ich nicht für erstrebenswert, denn Deutschland ist selbst ein Exportland und braucht die Globalisierung.

Anderes Thema: Berlin und Brandenburg sind für Unternehmen ein Wirtschaftsraum, politisch sind es aber immer noch zwei Welten. Man hat zum Beispiel das Gefühl, dass der Senat seine Verkehrspolitik nicht an den Interessen der Pendler aus dem Umland ausrichtet. Was muss passieren?

Berlin braucht Brandenburg für Ansiedlungen und Wohnungsbau und Brandenburg umgekehrt Berlin. Wenn Berlin mit City-Maut oder einer überstürzten Verbannung des Verbrennungsmotors aus der Innenstadt eine Politik machen will, in deren Folge Brandenburger nur noch schwer zu ihren Arbeitsplätzen in der Stadt kommen, ist das auch für Berliner Firmen schlecht.

Man kann nicht von heute auf morgen Verbote aussprechen oder das Autofahren übermäßig verteuern. Zudem braucht gerade der Wirtschaftsverkehr bei Veränderungen einen angemessenen Übergangszeitraum.

Für den Umstieg auf die Elektromobilität braucht es zudem die nötige Lade-Infrastruktur. Zudem muss der öffentliche Nahverkehr für Pendler attraktiver werden. Daher wäre es wichtig, dass das Tempo, das beim Bau der Tesla-Fabrik zu bestaunen ist, auch beim Ausbau der Schienen-Infrastruktur an den Tag gelegt würde. Planungs- und Genehmigungsverfahren dauern generell viel zu lange.

Der zweigleisige Ausbau der Zugstrecke von Lübbenau nach Cottbus etwa soll sieben Jahre dauern. Das ist verbesserungswürdig.

Interview: Ulrich Wangemann

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Die Original-Veröffentlichung finden Sie auf der Website der Märkischen Allgemeinen Zeitung.

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