02.02.22

UVB-Präsident Stefan Moschko: "Hier geht gerade die Post ab"

Interview von Torsten Gellner mit UVB-Präsident Stefan Moschko, erschienen am 2. Februar 2022 in der Märkischen Allgemeinen Zeitung

Märkische Allgemeine Zeitung: Bisher ist der Brandenburger Arbeitsmarkt recht gut durch die Corona-Krise gekommen. Im Gegensatz zu vielen anderen Bundesländern gab es 2021 sogar ein leichtes Plus. Was ist das Erfolgsrezept?

Ja, der Arbeitsmarkt ist recht robust. Instrumente wie Kurzarbeit haben uns sehr geholfen. Die Unternehmen hatten aber auch angesichts der Fachkräfte-Knappheit ein besonders hohes Interesse daran, ihre Leute an Bord zu halten.

Wann wird es eine Angleichung der Löhne geben, wie sie die neue DGB-Chefin Katja Karger fordert?

Man kann doch so pauschal gar nicht sagen, dass es die großen Unterschiede noch gäbe. Das ist von Branche zu Branche verschieden. So haben wir zum Beispiel in der Metall- und Elektroindustrie nach harten Auseinandersetzungen mit der IG Metall eine Lösung zur Angleichung der Arbeitszeit im Osten gefunden. Wir stehen generell vor der Frage, wer den Arbeitsmarkt künftig bedient. In der Lausitz, rund um den BER oder bei Tesla entstehen riesige Leuchtturmprojekte mit großem Arbeitskräftebedarf. Auf der anderen Seite steht ein Arbeitskräfteangebot, das altersbedingt immer kleiner wird.

Sie glauben also, dass bessere Löhne schon von selbst kommen werden, weil Unternehmen sonst niemanden mehr finden?  

Die große Herausforderung wird sein, wie wir die große Nachfrage nach Arbeitskräften bedienen können. Und unter dem Eindruck von Demografie und wachsendem Fachkräftebedarf denke ich, dass Arbeitgeber und Arbeitgeber in den Betrieben schon entsprechende Regelungen finden werden.

Wie hart trifft Omikron gerade die Unternehmen?

Es laufen gerade zwei massive Probleme zusammen. Wir haben einen spürbaren Anstieg von Krankmeldungen und Quarantänefällen. Das wird wohl noch zunehmen. Gleichzeitig gibt es Lieferengpässe bei Vorprodukten und Rohstoffen. In den Fabriken fehlt es also an Material und Mitarbeitern, obwohl die Auftragslage eigentlich gut ist. Das ist ein schwer verdauliches Gebräu. Grundsätzlich wissen wir zwar, dass unsere Hygienekonzepte greifen. Aber keiner weiß, wie die nächsten Wochen werden.

Der Bundestag diskutiert über eine allgemeine Impfpflicht. Wie stehen Sie dazu?

Für die jetzige Welle kommt die Impfpflicht viel zu spät. Wir warten als Wirtschaft darauf, was die Politik entscheidet. Es ist aber unbedingt zu vermeiden, dass wir in den Betrieben noch stärkere Auflagen bekommen und es gar Zutrittsbeschränkungen für ungeimpfte Beschäftigte gibt.

Die Energiepreise steigen und steigen. Kann das die erhoffte Erholung aus dem Corona-Tränental behindern?

Das ist ein ernstes Problem. Signale, dass Betriebe deswegen ihre Produktion drosseln mussten, haben wir in der Region noch nicht. Dafür bereitet uns die geopolitische Lage Sorgen.

Wie hart würde es die Wirtschaft treffen, wenn Russland den Gashahn zudreht?

Dass wäre schlicht gesagt katastrophal, für die Wirtschaft, aber auch für die Privathaushalte. Wir hoffen, dass sich die Lage beruhigt. Eine Verschärfung des Konflikts muss unbedingt vermieden werden. Wir setzen hier voll auf die Diplomatie.

Brandenburg arbeitet an einer neuen Energiestrategie, der Bund macht Tempo bei der Energiewende. Befürchtet die Industrie eigentlich, dass es zu Engpässen bei der Stromversorgung kommt?

Das wäre ein Horror-Szenario. Der Energiebedarf Deutschlands wird in den nächsten Jahren weiter steigen. Eine Energiewende muss darauf abgestimmt sein. Deswegen darf es einen früheren Kohleausstieg nur geben, wenn die Versorgung gesichert ist und die Preise bezahlbar bleiben. Sonst bekommt insbesondere die Industrie ein Problem. Nehmen Sie nur die Produktion von Grünem Wasserstoff. Der fällt nicht vom Himmel, sondern muss mit riesigem Energieaufwand produziert werden.

Wird es ohne Erdgas gehen?

Nein, wir werden Erdgas als Brückentechnologie ins klimaneutrale Zeitalter brauchen. Ich warne davor, Erdgas zu verteufeln. Dankenswerterweise hat sich Dietmar Woidke bei den Koalitionsverhandlungen dafür eingesetzt, dass neue Gaskraftwerke kein Verfallsdatum bekommen, wie einige das gefordert hatten. Es investiert doch keiner in eine solche Technologie, wenn er weiß, dass er sie in ein paar Jahren abschalten muss.

Die Kenia-Koalition in Brandenburg nähert sich der zweiten Halbzeit. Was würden Sie aus Sicht der Wirtschaft für ein Zwischenzeugnis ausstellen?

Diese Koalition war keine Liebeshochzeit, sondern eher ein Zweckbündnis. Zweckbündnisse sind aber manchmal stabiler. Es gab ein paar Krisen und Personaldebatten, doch aus Sicht der Unternehmen hat die Regierung gut gearbeitet. Wir teilen die Vision der Landesregierung, dass Brandenburg zu einer der Top-Regionen der Zukunft werden kann.

Was ist dazu nötig im Rest der Legislaturperiode?

Wir liegen bei der Digitalisierung noch zu weit hinten. Nordrhein-Westfalen ist um ein Vielfaches weiter, was die digitale Verwaltung angeht. Das Bildungssystem muss besser werden. Wir müssen die Abbrecherquoten senken und an der Ausbildungsreife der jungen Leute arbeiten. Wir werden in Zukunft jede Arbeitskraft brauchen. Gut gefällt mir am Brandenburger Bildungssystem, dass es durchlässig ist. Hier spielt die soziale Herkunft für den Bildungserfolg keine so große Rolle. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie wichtig das ist.

Sie spielen auf Ihre Herkunft an. Sie haben als Manager bei Siemens Karriere gemacht und stammen aus den berühmten einfachen Verhältnissen…

Mein Vater war Beamter bei der Bundesbahn, meine Großeltern kamen aus Arbeiter- und Bauernfamilien. Ich stamme aus der Südpfalz. Die galt mal als Armenhaus der Republik: Grenznähe, keiner wollte sich dort ansiedeln. Dann kam Daimler-Benz und baute sein Lkw-Werk in Wörth am Rhein. Das hat die ganze Region verändert und nach vorne gebracht. Aus einem Armenhaus wurde eine der reichsten und lebenswertesten Gegenden. Das war eine Riesen-Erfolgsstory, die sich jetzt in Brandenburg mit Tesla und anderen Vorzeige-Projekten wiederholen kann. Wir leben in einer der spannendsten Regionen Deutschlands. Hier geht gerade die Post ab. 

Kontakt

Pressestelle der UVB

Mo.-Do. von 08:15 Uhr bis 17:00 Uhr
Fr. von 08:15 Uhr bis 15:00 Uhr

T. +49 (0) 30 31005-113
F. +49 (0) 30 31005-166
E. presse@uvb-online.de

Außerhalb der Sprechzeiten erreichen Sie unsere Pressestelle unter der Rufnummer +49 (0) 172 311 667 3.

Carsten Brönstrup
Abteilungsleiter Presse und Kommunikation, Pressesprecher
Carsten
Brönstrup
Telefon:
+49 30 31005-114
Telefax:
+49 30 31005-166
E-Mail:
Broenstrup [at] uvb-online.de
Oliver Panne
Verbandskommunikation, Online-Kommunikation
Oliver
Panne
Telefon:
+49 30 31005-143
Telefax:
+49 30 31005-166
E-Mail:
Panne [at] uvb-online.de