Keine Chancengleichheit bei der Bildung: Der unterschätzte Skandal
Er hätte das Thema der vergangenen Woche sein sollen, ja müssen – der Nationale Bildungsbericht mit der Diagnose über den Zustand von Deutschlands Kitas, Schulen und Universitäten. Doch Fußball, Koalitionskrach und viele andere Themen haben sich vorgedrängelt. Wieder einmal hat die Bildung nicht den Stellenwert bekommen, den sie verdient.
Dabei ist der Befund des Berichts dramatisch. Er sieht das Bildungssystem am Limit. Es fehlt an Geld und an kundigem Personal. Die Leistungen der Schülerinnen und Schüler werden schlechter, immer mehr verlassen die Schule ohne Abschluss. Zudem zementieren Bildungseinrichtungen soziale Unterschiede eher, als dass sie für Chancen sorgen.
Kinder aus armen Familien studieren seltener als solche aus wohlhabenden Häusern, Kinder mit Migrationshintergrund liegen schon in jüngsten Jahren weit zurück. Auf der anderen Seite finden Kinder aus Akademikerhaushalten viel zu selten den Weg ins Handwerk.
Das muss uns aufrütteln. Das Bildungssystem entscheidet nicht nur darüber, wer im Leben aufsteigen kann und wer nicht. Es legt auch die Grundlage für die Integration von Zuwanderern und entscheidet, ob unser Gemeinwesen noch weiter in Parallelgesellschaften zerfällt. Und natürlich entscheidet die Bildung darüber, ob wir mithalten können im Wettbewerb mit Asien und Amerika.
Es mangelt nicht an Ideen für eine bessere Bildung. Klare Ziele und ein gemeinsames Commitment von Bund, Ländern und Kommunen, mehr aus dem System herauszuholen, müssen am Anfang stehen. Mehr Qualität, mehr und besser ausgebildetes Personal, mehr Berufsorientierung, mehr Praxisnähe, mehr Digitalisierung – all das ist nötig. Erst wenn die Bildung medial und politisch nicht mehr in der Schublade ‚Verschiedenes‘ landet, wird es bergauf gehen. Die Politik muss heute handeln, auch wenn sich eine Bildungsoffensive erst in vielen Jahren auszahlen wird.