Schirp: „SPD und BSW müssen Stabilität zeigen – Koalitionsvertrag setzt wichtige Akzente, ist aber zu wenig konkret“
„Brandenburg braucht eine Regierung, die die Voraussetzungen für neues Wachstum schafft und den Wirtschaftsstandort zukunftsfest macht. Wir begrüßen es, dass SPD und BSW zügig eine gemeinsame Linie für ihre Arbeit als Koalition gefunden haben. Jetzt müssen die neuen Partner unter Beweis stellen, dass ihr Bündnis stabil und handlungsfähig ist, auch in schwierigen Zeiten. Planungssicherheit ist für die Unternehmen gerade jetzt essenziell.“ Das sagte Alexander Schirp, der Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB), anlässlich der Vorstellung des Koalitionsvertrags in Potsdam.
Schirp weiter: „Die Herausforderungen für die Wirtschaft sind enorm: Die Unternehmen brauchen geringere Steuern und Abgaben, günstigere Energie, weniger Bürokratie, bessere Bildung, mehr Digitalisierung und eine Modernisierung der Infrastruktur. Gemessen daran erscheinen die Vorhaben von SPD und BSW im Koalitionsvertrag zu wenig konkret. Für mehr wirtschaftliche Dynamik braucht es ehrgeiziges politisches Handeln.“
„Bürokratieabbau muss Top-Thema werden“
„Wir begrüßen das Bekenntnis zu Bürokratieabbau, Planungsbeschleunigung und Digitalisierung der Verwaltung. Die Regierung muss diese Vorhaben von Tag eins an zu ihren Top-Themen machen. Das Ziel muss zum einen ein breiter Abbau von Regelungen, Vorschriften und Bestimmungen sein, damit Investitionen schneller vorankommen. Zum anderen brauchen wir ein pragmatischeres Handeln der Verwaltungen. Unsere Vorschläge zum Bürokratieabbau liegen auf dem Tisch. Eine echte Entlastung der Wirtschaft kann es nur geben, wenn für jede neue Regelung zwei bestehende entfallen (one-in-two-out). Den zum Bürokratieabbau geplanten Sonderausschuss im Landtag werden wir daran messen, ob er tatsächlich hilft, den Aufwand für die Unternehmen zu verringern. Organisatorisch muss das Thema aus der Staatskanzlei koordiniert werden.“
„Ein Tariftreue-Gesetz würde das Ziel des Bürokratieabbaus allerdings konterkarieren. Zudem würde es Vergabeverfahren komplizierter statt einfacher machen. Vor allem kleine und mittelständische Betriebe hätten bei öffentlichen Aufträgen ein Vielfaches an Dokumentations- und Nachweispflichten zu erfüllen. Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge sollte es vor allem um Wettbewerb und Wirtschaftlichkeit gehen, nicht um zusätzliche politische Ziele. Außerdem würde der Staat mit einer Tarifteure-Regelung erneut in die grundgesetzlich garantierte Tarifautonomie eingreifen.
„Einen Vergabe-Mindestlohn von 15 Euro lehnen wir ab. Damit würde sich Brandenburg bundesweit mit deutlichem Abstand an die Spitze setzen. Für Unternehmen würde es noch bürokratischer werden, ein Angebot abzugeben, denn sie müssten je nach Gewerk verschiedene Tarif- und Mindeststandards berücksichtigen. Viele kleine und mittlere Firmen würden sich dann von öffentlichen Aufträgen zurückziehen. Die Folge wäre weniger Wettbewerb zu Lasten des Mittelstands und höhere Kosten für den Staat. Wir halten den gesetzlichen Mindestlohn für ausreichend.“
„Transformation der Industrie muss im Tesla-Tempo stattfinden können“
„Das Bekenntnis zu einer aktiven Industriepolitik in Brandenburg werten wir positiv. Ein besonderes Augenmerk verdienen neue Technologien und Wertschöpfungsketten sowie die Transformation der Unternehmen. Das Land muss dafür sorgen, dass die hier anstehenden Prozesse im Tesla-Tempo stattfinden können.“
„Bekenntnis zur Industrie ist ein klares Signal“
„Für die Verteidigungsfähigkeit des Landes spielt die Industrie eine wichtige Rolle. Mit dem Bekenntnis zur Internationalen Luftfahrtausstellung ILA und zu den Standorten der Rüstungsindustrie in Brandenburg sendet die neue Koalition ein klares Signal.“
„Es ist richtig, niedrigere Energiepreise für die Unternehmen anzustreben. Auch der weitere Ausbau der Erneuerbaren Energien und der Wasserstoff-Infrastruktur sind unerlässlich. Der Bau des Wasserstoff-Kernnetzes und eines Verteilernetzes ist zentral für die Wettbewerbsfähigkeit vieler Industriebetriebe. Für die Versorgungssicherheit in der Zukunft braucht Brandenburg im Rahmen der Kraftwerks-Strategie des Bundes mindestens zwei Standorte für neue Gaskraftwerke. Das Land muss diese Vorhaben mit unbürokratischen Planungs- und Genehmigungsverfahren unterstützen.“
„Ein stärkeres Augenmerk hätten wir uns für die Verkehrs-Infrastruktur gewünscht. Ausbau und Erhalt von Schienen- und Straßenverbindungen sind wichtige Wettbewerbsfaktoren. Mit den richtigen Schwerpunkten im Haushalt kann es hier zusätzliche Spielräume geben. Für die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit des Flughafens BER muss es unbedingt bei den bestehenden Landezeiten bleiben.“
„Brandenburg braucht zusätzliche Fachkräfte, schon heute sind rund 50.000 Arbeitsplätze nicht besetzt. Darum begrüßen wir das Bekenntnis der Koalition, die Integration von qualifizierten Zuwanderern in den Arbeitsmarkt zu vereinfachen und zu beschleunigen. Zusätzlich hilfreich wäre die Strategie einer One-Stop-Agency, die alle nötigen bürokratischen Themen bündelt.“
Bei der Bildung ist noch viel zu tun
„In der Bildung hat Brandenburg viel Aufholpotenzial. Es ist richtig, den Fokus auf die Lehrkräfte-Ausbildung zu richten und ihnen auch ein duales Studium zu ermöglichen. Der Personalmangel ist eines der zentralen Probleme im Land, auch und gerade an den beruflichen Schulen. Wir unterstützen zudem das Vorhaben einer Ausbildungsoffensive. Hier muss es auch um Fragen der besseren Mobilität von Auszubildenden gehen.“
„Es ist richtig, dass die Koalition die regionale Gesundheitsversorgung erhalten will und gleichzeitig ermöglicht, die Versorgungseinrichtungen umzubauen. Dabei wird Brandenburg auf alle Trägergruppen einschließlich der Privaten angewiesen sein.“