30.06.22

HR Innovators: Kulturwandel durch Wissenstransparenz

Am Mittwoch ging es bei den „HR Innovators“, einem Netzwerk von innovations- und digitalinteressierten Personalleiter*innen der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg, um die Macht von Daten und ihren Einfluss auf Arbeitsorganisation und Unternehmenskultur. Daniel Heidrich, Geschäftsführer der EBK Krüger GmbH & Co. KG, nahm die Gruppe via Zoom mit in sein Unternehmen und gab Einblicke in den dort angestoßenen Transformationsprozess.

Das Unternehmen selbst, mit Sitz in Berlin-Adlershof und Berlin-Marienfelde ist ein klassischer Zulieferbetrieb. Hier werden Auslaufserien und Ersatzteile für die Automobilherstellung gefertigt. Somit hat das Unternehmen sowohl Mitarbeiter im Büro als auch an den Fertigungslinien. Vom Transformationsprozess werden beide Bereiche vollständig erfasst. Grundlage dafür sei die Digitalisierung. „Um einen solchen Wandel anzustoßen, muss man zuallererst digitalisieren“, erklärt Heidrich sein Erfolgsrezept. „Anschließend kann sich die Unternehmenskultur entwickeln, wobei Führung nur steuernd darauf einwirken kann und sollte.“

Umgekehrt geht es laut Heidrich nicht. Denn die technologischen Möglichkeiten seien heute noch gar nicht absehbar. Sich seine künftige Arbeitsumgebung vorzustellen, sei somit unmöglich. Entsprechend führt uns die Technik.

Wissensboards für datenbasierte Entscheidungen

„Wir haben aufgehört, Transformationsworkshops zu machen. Das ist rausgeworfenes Geld“, lautet die daraus abgeleitete These des EBK-Geschäftsführers.  Stattdessen sei die Basis jeder Transformation die Technologie. Die Digitalisierung ermöglicht es, Informationshürden abzubauen und jedes Teammitglied zu befähigen, eigenständig Entscheidungen zu treffen.

Auf diesen Weg hat sich EBK gemacht und damit begonnen, sämtliche Unternehmensprozesse zu visualisieren und absolut transparent zu gestalten. Die gewonnenen Informationen können über digitale Wissensboards überall im Unternehmen in Echtzeit abgerufen werden. Das bringt die Mitarbeiter abteilungsübergreifend auf den gleichen Informationsstand.

Erst visualisieren, dann automatisieren

Der nächste Schritt sei die Vollautomatisierung all dieser Prozesse, sagt Heidrich. Hier sei EBK mittendrin. Was mit Einkaufsprozessen begann, zieht sich über die Auftragsverwaltung bis hin zur Rechnungslegung. So werden zeitliche Ressourcen freigelegt, die es den Teams ermöglichen, Arbeitsprobleme zu besprechen und neue Lösungen für bestehende Herausforderungen zu finden.

„Der teuerste Schritt ist die Abkehr von alten One-fits-all-Systemen hin zur Einführung schlanker und flexibler Softwarelösungen“, ist Heidrichs Erfahrung. „Die Aufgabe des Mittelstandes ist es, die riesigen und überdimensionierten ERP-Monster wieder abzuschaffen, die in vielen Unternehmen zum Standard gehören. Erst dann können agiles Arbeiten und lernende Prozesse überhaupt erst möglich werden.“

Kompliziert versus komplex

Transparenz und Informationen legen die Grundlage für diese neue Arbeitsorganisation, die sich vor allem auf den Managementebenen widerspiegelt. „Wir haben kein aktives mittleres Management und auch keine Controller mehr“, erläutert Heidrich die Veränderungen. „Alle Controlling-Aufgaben wurden voll automatisiert.“

So sei das mittlere Management in der Vergangenheit vor allem dafür da gewesen, Daten zusammenzuführen und auf dieser Basis komplizierte Entscheidungen zu treffen. Das übernimmt heute die Technik. So werden die  Unternehmensdaten von einer Software zusammengeführt, analysiert und allen Mitarbeitenden als Echtzeit-Information bereitgestellt. Dies ermöglicht datenbasierte Entscheidungen auf allen Unternehmensebenen. Das mittlere Management braucht es dann nicht mehr.

„Wenn es sich nicht mehr lohnt, eine Entscheidung durch eine Führungskraft zu treffen, brauche ich diese Führungskraft nicht mehr“, fasst Heidrich zusammen. „Dafür muss jeder Mitarbeiter im Unternehmen befähigt werden, eigenverantwortlich Entscheidungen zu treffen.“ Führung sei dann nur noch für komplexe Entscheidungen notwendig, die Erfahrungswerte, Gespür und Kommunikation benötigen.

Die Beschaffung der dafür notwendigen Softwaretools hat der Unternehmer gleich selbst in die Hand genommen. So hat Heidrich das Unternehmen LeitArt gegründet, eine Schwesterfirma der EBK und Teil des EBK-Ökosystems aus industrieller Produktion und Data Science. LeitArt widmet sich ganz dem Thema Datenanalyse und Prozessautomatisierung. Das Technologie-Unternehmen führt die Daten der EBK zusammen, verknüpft diese und erprobt Lösungen direkt im eigenen Betrieb. Über Dashboards werden die Analyse-Ergebnisse allen Mitarbeitenden zur Verfügung gestellt. Mehr noch: Die Teams verfügen über Kontingente, über die sie eigenständig bei der Firma LeitArt Analysetools einkaufen können, die sie für ihre tägliche Arbeit benötigen. Lediglich der Kontostand des Unternehmens bleibt ein Geheimnis. Sämtliche anderen Daten sind jederzeit einsehbar. Informationshürden gehören damit der Vergangenheit an.

„Excel habe ich verboten“

Um diese Entwicklung voranzutreiben, musste Heidrich an einer wesentlichen Stelle steuernd eingreifen und konnte nicht auf die Wirkung des Transformationsprozesses vertrauen. „Excel habe ich verboten und dies auch streng durchgesetzt“, resümiert er. Denn für ihn sei das Tabellenkalkulationsprogramm keine gute Basis für Entscheidungen. Tabellen seien viel zu oft zu komplex, intransparent und vor allem keine Echtzeit-Tools.

All diese technologischen Sprünge haben bei EBK dazu geführt, dass sich die Organisationsstruktur immer mehr in Richtung einer Holokratie entwickelt. Das mittlere Management und die Verwaltung wurden aufgelöst und zurück in die Teams integriert. Die Hauptaufgabe von Führung sei es nun, Kommunikationsprozesse anzustoßen.

Über das Reden kommt eine Gruppe ins Handeln, so die These. Konkret heißt das, über das Kommunizieren wird Wissen ausgetauscht und in Erfahrung gebracht, welches Teammitglied die höchste Kompetenz für die gerade anstehende Entscheidung mitbringt. „Je komplexer die Welt wird, desto schwieriger wird es, Kommunikation sicherzustellen“, erklärt Heidrich. Hierfür braucht es Führungskräfte, die priorisieren und die Ressourcen schaffen, damit Teams sich austauschen und gemeinsam Lösungen finden können.

100 % Wachstum ohne zusätzliches Personal

„Wir verknüpfen Punkte wie auf Segelschiffen Seile“, erläutert Heidrich den dahinter liegenden technologischen Prozess mittels einer Analogie. „Brauchte man anfangs noch etliche Männer, um große Segelschiffe über die Weltmeere zu bewegen, genügen heute zwei Personen. Denn alles auf dem Boot ist nun miteinander verknüpft.“

So sei das Unternehmen um hundert Prozent gewachsen, wobei Im „Overhead“ nur zwei Personen eingestellt wurden – nämlich im Eventmanagement und in der Qualitätssicherung. „Entgegen der bisher geläufigen Ansicht spiegelt sich Wachstum nicht im Personalzuwachs wider“, ist sich Heidrich sicher. Gerade mit Blick auf die zunehmend weniger werdenden Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt, kann Wachstum nicht mehr ans Personal gekoppelt sein. Erst wenn Unternehmen dies erkennen, kommen sie in den Zugzwang zu digitalisieren und können sich in einen echten Transformationsprozess begeben.

Dies sei auch keine Frage der Belegschaft. Diese sei grundsätzlich zu begeistern, wenn Digitalisierung richtig angegangen wird, ist Heidrich überzeugt. Dafür müssten Technologien die immer wiederkehrenden unbeliebten Aufgaben übernehmen. Dann hätten die Mitarbeitenden auch keine Angst mehr davor. Im Gegenteil, sie fordern und fördern Digitalisierung.

„Macht als Entwicklungsperspektive hat ausgedient“

Tiefgreifende Veränderungen bringe Digitalisierung nur in der Mittelschicht mit sich, berichtet Heidrich aus Erfahrung. Diese Ebene sei künftig schlichtweg nicht mehr nötig. „Wir müssen uns heute schon die Frage stellen, was wir mit diesen Arbeitskräften machen“, fordert Heidrich. „Welche Kompetenzen bringen sie zusätzlich noch mit und wo können diese eingesetzt werden? Macht als Entwicklungsperspektive und Führungsprinzip hat künftig ausgedient.“

„Menschen die auf Macht aus sind, ziehen wir als Arbeitgeber nicht mehr an“, berichtet Heidrich weiter. „Aber natürlich muss man seinen Arbeitnehmern Entwicklungsperspektiven bieten. Jedoch müssen diese künftig anders aussehen.“ Dies könnten Beteiligungskonzepte sein, individuelle Verantwortungsbereiche, sinnstiftende Arbeitsinhalte und vieles mehr.

EBK führe heute nach Prinzipien und nicht mehr nach Zielsetzungen, lautet das Fazit des Geschäftsführers. Entsprechend würden auch keine Ziel- und Mitarbeitergespräche mehr durchgeführt. Eine direkte und offene Kommunikation sei der Schlüssel zum Erfolg. So sollten Mitarbeitende Weiterbildungen von sich aus einfordern und nicht diktiert bekommen.

Bei EBK führt heute keine Führungskraft mehr als 10 Mitarbeitende. So bewahrt sich das Unternehmen die nötige Flexibilität, um weiter im Wandel zu bleiben und agile Prozesse fest zu etablieren.

Fortsetzung der Veranstaltungsreihe am 15. September

Die HR Innovators treffen sich am 15. September wieder zum digitalen Austausch. Dann wird es um neue nachhaltige Mobilitätskonzepte in Unternehmen gehen. Alle Informationen dazu finden Sie hier.

Ein Gemeinschaftsformat von:

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Abteilungsleiterin Betriebliche Personalpolitik und Fachkräftesicherung
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