Noch viele Plätze unbesetzt
Am 1. September startet das neue Ausbildungsjahr. Doch die Lücke im Ausbildungsmarkt ist noch nicht geschlossen. Rund 11.300 Ausbildungsplätze hatten die Unternehmen in der Hauptstadtregion am 31. August 2023 noch zu vergeben. Zugleich sind 9.700 Jungen und Mädchen weiter auf der Suche nach einer passenden Startchance ins Berufsleben.
Zwar können auch nach dem offiziellen Start des Ausbildungsjahres noch Ausbildungsverträge geschlossen werden. Doch es droht, was Fachleute „Mismatch“ nennen: Nachwuchskräfte zögern mit der Bewerbung, weil sie über viele Berufe und Perspektiven zu wenig wissen.
Über 320 anerkannte Ausbildungsberufe gibt es heute in Industrie und Handwerk, im öffentlichen Dienst, in Hauswirtschaft, Landwirtschaft und Seeschifffahrt sowie bei den „Freien Berufen“. Dank des vielfältigen Angebots sollte für jede und jeden das Richtige zu finden sein. Doch viele verlieren dabei den Überblick.
Betreuen statt warten lassen
Aus Verlegenheit wählen viele junge Leute Bildungsmaßnahmen im sogenannten Übergangssystem. Für den Ausbildungsmarkt sind sie dann erstmal verloren, in den Betrieben bleiben Ausbildungsplätze unbesetzt. „Das können wir uns nicht länger leisten“, sagt Alexander Schirp, der Vize-Hauptgeschäftsführer der UVB. „Angesichts von Fachkräftemangel und der demografischen Entwicklung müssen wir gegensteuern.“
Darum haben die Unternehmensverbände zusammen mit dem Verband der Metall- und Elektroindustrie Berlin-Brandenburg das Projekt #chancen.nutzen ins Leben gerufen. Dabei werden 140 Jugendliche mit eher mäßigen Abschlussperspektiven noch während ihrer Schulzeit intensiv gefördert. Das Ziel ist ein betrieblicher Ausbildungsvertrag mit echter Perspektive. „Wir können es uns nicht leisten, Potenzial liegen zu lassen“, begründet Schirp das Engagement. Schon ab dem letzten Schuljahr werden die Jugendlichen daher bei Berufsorientierung und Berufswahl begleitet. Auch wenn der Traumjob gefunden ist, geht die Betreuung weiter – falls nötig bis zu zwei Jahre.
Die Unternehmensverbände sehen das Projekt als Blaupause für eine Reform des Bildungssystems. „Das Übergangssystem muss auf den Prüfstand“, fordert UVB-Vize Schirp. „Mit seinen Warteschleifen hält es Jungen und Mädchen künstlich vom Ausbildungsmarkt fern. Das wollen wir ändern.“
Drei wirksame Maßnahmen reichen aus
Wie groß der Handlungsbedarf ist, zeigt eine neue Studie des Forschungsinstituts Berufliche Bildung (f-bb). Sie stuft das Übergangssystem in Berlin als wenig zielgenau ein. „Es existieren Parallelstrukturen und Intransparenz“, analysiert Susanne Kretschmer, f-bb-Geschäftsführerin und eine der Autorinnen der Studie. „Selbst professionelle Beraterinnen und Berater haben oft den Überblick verloren.“
Aus Sicht der Unternehmen muss das System rasch deutlich verschlankt werden. „Statt Dutzender Maßnahmen sollten wir uns auf die drei wirksamsten konzentrieren“, fordert UVB-Vize Schirp. „Hamburg ist vor zehn Jahren genau diesen Schritt gegangen. Heute erntet die Stadt die Früchte dieser Reform.“
Die Rolle der Wirtschaft sieht die UVB darin, alle Ausbildungsplätze bei der Agentur für Arbeit zu melden. Schirp: „Im Bündnis für Ausbildung, das in Berlin nun an den Start geht, werden wir zeigen, wie wichtig den Unternehmen das Thema ist. Mit #chancen.nutzen sind wir hier jedenfalls auf einem wirklich guten Weg.“
Einen guten Start und Ausbildungsverlauf wünschen die Unternehmensverbände jedenfalls auch all denjenigen Betrieben und Auszubildenden, die bereits zusammengefunden haben.