Business Intelligence für die Produktion
Regelmäßig beschäftigen sich Digital- und Innovationsverantwortliche regionaler Unternehmen im Rahmen der „Industry Innovators Group“ der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB) mit industrierelevanten Anwendungen digitaler Technologien. Vor zwei Jahren ins Leben gerufen, trifft sich die Gruppe monatlich zum digitalen Austausch. Am 15. Juni stand erstmals das persönliche Gespräch im Vordergrund, verbunden mit einem Unternehmensbesuch bei EBK Krüger am Zukunftsort Berlin-Adlershof. „Business Intelligence für die Produktion“ lautete das Thema der Runde.
EBK-Geschäftsführer Daniel Heidrich begrüßte die Gäste und führte gemeinsam mit LeitArt-Geschäftsführer Sebastian Nädtke durch den Betrieb. EBK ist ein klassischer Zulieferbetrieb. Hier werden Auslaufserien und Ersatzteile für die Automobilherstellung gefertigt. Die LeitArt ist die Datenspezialistin im EBK-Ökosystem und Expertin für Business Intelligence im industriellen Bereich.
EBK Krüger befindet sich schon lange in einem Transformationsprozess. Strukturwandel und Fachkräftemangel trafen das Unternehmen wie viele andere Automobilzulieferer auch. EBK musste sich neu erfinden. Prozesse mussten effizienter und neue Geschäftsfelder entwickelt werden. So entstand die LeitArt Gesellschaft für Mittelstandskybernetik mbH, die sich auf die Anforderungen digitaler Prozesse in Industriebetrieben spezialisiert hat.
Wandel durch Digitalisierung
„Die Architektur des Unternehmens ist die Basis für die Transformation. Um einen solchen Wandel anzustoßen, müssen Sie zuallererst digitalisieren“, berichtet Heidrich über den Beginn des Transformationsprozesses. So muss jeder Produktionsmitarbeiter bei EBK vier bis fünf Maschinen beherrschen. Diese sind unterschiedlich alt und laufen teilweise in fremden Sprachen. Über 28.000 Dienstanweisungen gibt es im Unternehmen. Grund dafür ist das besondere Geschäftsmodell des Automobilzulieferers. Hier werden Auslaufserien von Automobilprodukten aus aller Welt gefertigt. Entsprechend breitgefächert sind die Maschinen, die das Unternehmen beherbergt. „Diese riesige Informationsmenge zu bewältigen gelingt nur mit klugen digitalen Prozessen“, sagt Heidrich.
Begonnen hat der Digitalisierungsprozess jedoch im Overhead. „Der Schlüssel für die erfolgreiche digitale Transformation liegt in der Verwaltung“, ist sich der Unternehmer sicher. So waren beispielsweise Einkaufsvorgänge, Bestelleingänge und Rechnungslegung früher riesige händische Prozesse, in deren Verlauf Daten aus zahlreichen Quellen zusammengeführt werden mussten. Heute laufen diese Prozesse automatisiert ab und die Mitarbeiter können sich anderen Aufgaben widmen.
Ein Dashboard zeigt nun in Echtzeit an, bei welchen Einkaufsvorgängen es zu Lieferverzögerungen kommt und welche Lieferanten davon betroffen sind. Eine Art farbliches Ampelsystem visualisiert den Handlungsbedarf. Die Mitarbeiter erkennen auf einen Blick, bei welchem Lieferanten die meisten Probleme auftreten und können entsprechend priorisiert reagieren. Das spart viele Ressourcen.
Die Geschwindigkeit zählt
Ein weiterer Schlüsselfaktor für den Erfolg von Transformationsprozessen sei die Zeit, ist Heidrich überzeugt. „Digitalisierungsprojekte dürfen keine Jahre dauern. Wir brauchen schlanke modulare Lösungen, die innerhalb von Tagen realisiert werden können.“ Power-to-Apps heißt das Prinzip. Denn Unternehmen müssten schnell agieren können und vor allem flexibel bleiben. Das ginge nicht mit riesigen unbeweglichen ERP-Systemen, ist sich Heidrich sicher.
„Digitalisierungsprojekte sind keine Projekte mit Dauer und Ende. Digitalisierung schreitet immer weiter voran“, so Heidrich. Dank der von LeitArt entwickelten schlanken Lösung zur Analyse und Visualisierung der Einkaufsprozesse konnte EBK auch schnell auf sich verändernde Rahmenbedingungen im Laufe der Corona-Pandemie reagieren. Ein Dashboard verknüpfte Coronazahlen der Länder mit den dort geltenden Einschränkungen und den ansässigen Lieferanten des Unternehmens. Ausfälle waren frühzeitig ersichtlich. Einkäufer konnten flexibel reagieren und über andere Lieferanten gegengesteuern.
„Solche Lösungen – vor allem im Risikomanagement – müssen schnell umgesetzt werden, sonst sind sie unnütz. Ist die außergewöhnliche Situation wieder vorbei, muss man sich auch wieder von einer Lösung trennen können. Das geht nur über Plattformen und Apps“, erläutert Heidrich. „Die Software entscheidet über Wohl und Weh des Unternehmens – insbesondere mit Blick auf den zunehmenden Fachkräftemangel.“
Fachkräfte werden überall gesucht. Die geburtenstarken Jahrgänge gehen nach und nach in Rente und es fehlt an qualifiziertem Personal. Daher kann Wachstum künftig nicht mehr ans Personal gekoppelt sein, ist Heidrich überzeugt. „Doch erst wenn Unternehmen dies erkennen, kommen sie in den Zugzwang zu digitalisieren und können sich in einen echten Transformationsprozess begeben.“
Datenbasierte Entscheidungen auf allen Ebenen
Diese neue Transparenz und Informationsaufbereitung legen die Grundlage für eine moderne Arbeitsorganisation, die sich bei EBK vor allem auf den Managementebenen widerspiegelt. „Wir haben kein aktives mittleres Management und auch keine Controller mehr“, erläutert Heidrich die Veränderungen.
Nahezu alle Prozesse in der Verwaltung wurden digitalisiert und über Wissensboards visualisiert. Überall im Unternehmen können die jeweils benötigten Daten über eine entsprechende App in Echtzeit abgerufen werden. Abteilungsübergreifend – sowohl in der Verwaltung als auch in der Produktion – haben die Mitarbeitenden den gleichen Informationsstand. Dies ermöglicht datenbasierte Entscheidungen auf allen Unternehmensebenen. Das mittlere Management braucht es dann nicht mehr.
„Wenn es sich nicht mehr lohnt, eine Entscheidung durch eine Führungskraft zu treffen, muss ich diese Ebenen verschlanken“, fasst Heidrich die Veränderung zusammen. „Dafür muss jeder Mitarbeiter im Unternehmen befähigt werden, eigenverantwortlich zu handeln.“ Führung sei dann nur noch für komplexe Entscheidungen notwendig, die Erfahrungswerte, Gespür und Kommunikation benötigen. Aufgabe heutiger Führungskräfte sei es, Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen, damit Teams Probleme selbständig lösen.
Die Beschaffung der dafür notwendigen Softwaretools hat der Unternehmer selbst in die Hand genommen und die Schwesterfirma LeitArt gegründet, die sich ganz dem Thema Datenanalyse und Prozessautomatisierung widmet. Das Technologie-Unternehmen führt die Daten der EBK zusammen, verknüpft diese und erprobt Lösungen direkt im eigenen Betrieb.
„Excel habe ich verboten“
Damit dieser Transformationsprozess gelingt, musste Heidrich an einer wesentlichen Stelle steuernd eingreifen. „Excel habe ich verboten und dies auch streng durchgesetzt“, resümiert er. Denn für ihn sei das Tabellenkalkulationsprogramm keine gute Basis für Entscheidungen. Tabellen seien viel zu oft zu aufgebläht, intransparent und vor allem meistens keine Echtzeit-Tools.
Bei EBK setzt man auf schlanke, modulare Lösungen, die es erlauben, den digitalen Prozess an sich stetig verändernde Unternehmensumgebungen anzupassen. Kernelement ist die absolute Wissens- und Informationstransparenz, eine Grundvoraussetzung, um alle Mitarbeiter im Unternehmen zu selbstständigen Entscheidungen zu befähigen.
EBK führe heute nach Prinzipien und nicht mehr nach Zielsetzungen, sagt Heidrich. Entsprechend würden auch keine Ziel- und Mitarbeitergespräche mehr durchgeführt. Eine direkte und offene Kommunikation sei der Schlüssel zum Erfolg. So bewahrt sich das Unternehmen die nötige Flexibilität, um weiter im Wandel zu bleiben und agile Prozesse fest zu etablieren.
Mehr zu den kulturellen Veränderungsprozessen bei EBK Krüger lesen Sie hier: HR Innovators: Kulturwandel durch Wissenstransparenz